Ingolstadt
"Stärker mit Gunvor"

Ingolstädter Raffinerie ist unter neuem Eigentümer wieder voll in Betrieb – Herausforderungen bleiben

05.10.2012 | Stand 03.12.2020, 0:59 Uhr

 

Ingolstadt (DK) Das Rohöl fließt, der Betrieb läuft, der Absatz flutscht. In der Ingolstädter Raffinerie ist überall die Erleichterung zu spüren, der Pleite von Petroplus entkommen zu sein und unter dem Dach von Gunvor weiterarbeiten zu können. „Ich bin froh, dass wir leben“, sagt Raffineriechef Gerhard Fischer.

Sieben Monate lang lief die frühere Petroplus-Raffinerie in Ingolstadt nur noch im Warmhaltebetrieb, dann kam Ende August für die rund 420 Beschäftigten die erlösende Nachricht: Der zypriotische Rohstoffhändler Gunvor übernimmt die deutschen Gesellschaften der insolventen Schweizer Petroplus Holdings AG. Die Ölleute von der Donau sind zurück im Geschäft. Seit etwa drei Wochen ist die Anlage „wieder voll in Betrieb“, sagt Gerhard Fischer, Chef der Gunvor Raffinerie Ingolstadt GmbH.

Und auch der Vertrieb der Produkte – vor allem Heizöl, Diesel, Benzin, Flugzeugtreibstoff und Gase – läuft wieder rund. Damit können die etwa 120 Geschäfts- und rund 45 000 Endkunden des Verarbeitungsbetriebs ebenfalls aufatmen. Während der Insolvenzphase konnten lediglich die Endkunden – vor allem Heizölkäufer oder Landwirte – aus Beständen oder Zukäufen weiter versorgt werden, wie Martin Schreiner, Geschäftsführer der Gunvor Deutschland GmbH, berichtet. Die Geschäftskunden waren jedoch darauf angewiesen, sich den Nachschub woanders zu besorgen. „Teilweise mussten die bis nach Karlsruhe oder Leuna“, weiß Schreiner. Das aber trieb vor allem die Transportkosten hoch, was sich auch prompt am Markt bemerkbar gemacht habe.

Immerhin verkauft das Ingolstädter Unternehmen jährlich rund 4,5 Millionen Tonnen an Mineralölprodukten – 95 Prozent davon an Geschäftskunden. Damit deckt die Raffinerie etwa ein Viertel des Marktes in Bayern ab. Zudem werden Schreiner zufolge „der Westen Österreichs und auch Teile der Schweiz“ mitversorgt.

Für die Mitarbeiter der Raffinerie und der Marketinggesellschaft ist seit wenigen Wochen ebenfalls die Zeit bangen Wartens vorbei. Dank eines von Insolvenzverwalter Michael Jaffé bei der Commerzbank besorgten Massekredits konnte die ganze Mannschaft an Bord bleiben und die Raffinerie so in Schuss gehalten werden. Fischer ist froh, dass betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden konnten, „aber wir haben trotzdem circa 30 Leute verloren“. Die ersten neuen Stellen sind schon wieder besetzt.

Alles in Ordnung also bei den Ingolstädter Ölleuten? Ja und nein, denn Raffineriechef Fischer ist sich durchaus bewusst, dass der „Wettbewerb unter den deutschen Raffinerien hart bleiben“ wird. Solarenergie, Windkraft, sparsamere Autos und Heizungsanlagen sowie die anhaltende Debatte um den E10-Kraftstoff stellen die Raffineure „vor große Herausforderungen“. Denn der Heizölverbrauch geht jährlich „um bis zu zwei Prozent zurück, bei Benzin liegt der Marktrückgang ebenfalls bei etwa zwei Prozent“, erklärt Marketingchef Schreiner die Situation, in der sich die Gunvor-Raffinerie behaupten muss. Ein Lichtblick: Diesel wird mehr nachgefragt. Und Alternativen tun sich womöglich mit einer Ausweitung der Produktion von Chemierohstoffen auf.

Dennoch: „Die Überkapazitäten gehen so schnell nicht weg“, sagt Fischer. Und das, obwohl mit der Petroplus-Pleite große Verarbeitungsbetriebe wie im britischen Coryton und im französischen Petit Couronne stillliegen. Das reicht aber offenbar immer noch nicht, um das Problem der Überkapazitäten zu beseitigen. Erst vergangene Woche kündigte der Total-Konzern an, Raffinerien in Europa abstoßen zu wollen. Und eigentlich hatte „der Markt gehofft, dass auch wir nicht wiederkommen“, sagt Fischer.

Es ist anders gekommen. Und vielleicht auch besser. Der Ingolstädter Raffineriechef ist jedenfalls zuversichtlich, weil der Betrieb nun zu einem Konzern „mit einem anderen Hintergrund als Petroplus“ gehört. Denn während die Schweizer nicht in der Förderung aktiv waren und das Rohöl immer zu Weltmarktpreisen einkaufen mussten, sitzen die neuen zypriotischen Eigentümer als weltweit viertgrößter Öl- und Gashändler – mit größeren Beteiligungen etwa an Förderprojekten, Hafenanlagen und Pipelines – sozusagen an der Quelle. Das kann Kostenvorteile bringen, wenngleich Fischer darauf hinweist, dass sein Betrieb ebenfalls „an den Weltmärkten und Preisen“ hängt.

Doch gilt die Raffinerie in Ingolstadt mit einer Kapazität von fünf Millionen Tonnen im Jahr seit jeher zu den modernsten und profitabelsten in Deutschland. So schloss der Betrieb 2011 laut Fischer auch mit schwarzen Zahlen ab. Wie es nach dem Ausnahmejahr 2012 weitergeht, ist für ihn freilich schwierig vorherzusagen. Es werde auf alle Fälle „ein Jahr mit Herausforderungen“. Aber: „Unser Rückgrat ist mit Gunvor stärker als mit Petroplus.“