Ingolstadt
"Wir brauchen einen Kurswechsel"

Der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann fordert im Gespräch mit unserer Zeitung eine Stärkung der gesetzlichen Rente

30.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

DGB-Bundesvorsitzender Reiner Hoffmann (links) und der Ingolstädter DGB-Stadtverbandsvorsitzende Bernhard Stiedl sprachen sich am Freitagabend für die Stabilisierung der Rente aus. - Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Wie geht es weiter mit der Rente? Immer öfter stellen sich Arbeitnehmer die Frage, ob die Zuwendungen im Alter einmal reichen werden, um sorglos leben zu können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und seine acht Mitgliedsgewerkschaften, darunter die IG Metall und Verdi, hatten jüngst eine Rentenkampagne gestartet.

Sie fordern eine Stabilisierung des Rentenniveaus auf dem heutigen Stand.

Der DGB-Bundesvorsitzende Reiner Hoffmann diskutierte das Thema am Freitagabend mit örtlichen Gewerkschaftsfunktionären und Interessierten im Ingolstädter Gewerkschaftshaus. Es sei an der Zeit zu handeln, sagte Hoffmann am Rande der Veranstaltung gegenüber unserer Zeitung. "Wenn wir bei der jetzigen Regelung bleiben, dann wird das gesetzliche Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent absinken. Zugleich werden die Beiträge für die Rentenversicherung auf 22 Prozent steigen. Das kann man den Menschen nicht vermitteln - mehr zahlen für weniger Leistung. Deshalb brauchen wir einen Kurswechsel."

Das bedeute laut Hoffmann in erster Linie, diesen Sinkflug zu begrenzen und vorrangig das gesetzliche Rentenniveau von derzeit circa 48 Prozent zu stabilisieren. Langfristig sollte sogar eine Anhebung das Ziel sein, sowohl bei den gesetzlichen wie auch bei freiwilligen Leistungen. "Wir brauchen außerdem eine Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge. Wir haben ja gesehen, dass sich die kapitalmarktgedeckte Rentensicherung nicht rechnet, und auch die Riester-Rente ist den Ansprüchen nicht gerecht geworden."

Zur Gegenfinanzierung schlägt der DGB-Bundesvorsitzende vor, den Rentenbeitragssatz "behutsam" in 0,3-Prozent-Schritten auf die jetzt schon gesetzlich vorgesehenen 22 Prozent anzuheben, um eine "Demografie-Reserve" aufzubauen. "Dann muss mit dem Unfug aufgehört werden, dass man die Mütter-Rente aus Beiträgen finanziert - das ist eindeutig eine Leistung, die aus Steueraufkommen zu tragen ist. Das sind allein schon zwischen sechs und sieben Milliarden Euro pro Jahr."

Zudem gelte es, die Perspektiven zu verbessern. Deutschland verfüge über den größten Niedriglohnsektor in Europa. "22 Prozent der Erwerbstätigen verdienen weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens." Hoffmann fordert "eine neue Ordnung des Arbeitsmarktes und eine Trockenlegung des Niedriglohnsektors". Dann würden auch höhere Beiträge fließen, was der Stabilisierung des Rentenniveaus zugutekäme. Der Bundesvorsitzende hat festgestellt, dass "die Parteien das Thema ernst nehmen". Er fordert rasches Handeln. "Das muss ganz nach oben auf die Tagesordnung." Die große Koalition schaffe das aber nicht mehr. "Das ist eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode."