Ingolstadt
Wieder Feuer unterm Kessel

Frühere Petroplus-Raffinerie in Ingolstadt gehört jetzt Gunvor – Produktion wird hochgefahren

27.08.2012 | Stand 03.12.2020, 1:08 Uhr

Die Gasfackel brennt, es geht wieder richtig los in der Ingolstädter Erdölraffinerie. Etwa ein Dreivierteljahr nach der Pleite von Petroplus wird die Anlage nun unter Führung des zypriotischen Rohstoffhändlers Gunvor wieder hochgefahren. Die ersten Kunden können bereits beliefert werden - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Nein, die Flasche Schampus hat Dietmar Hengl noch nicht aufgemacht. „Ich muss ja arbeiten“, sagt der Betriebsratsvorsitzende der jetzt zum Rohstoffhändler Gunvor gehörenden Raffinerie in Ingolstadt. Erleichterung, ja auch Aufbruchstimmung klingt in seinen Worten mit. „Es sieht so aus, dass wir einen guten Start haben werden.“ Immerhin ist der früher zur Petroplus-Gruppe gehörende Verarbeitungsbetrieb der Pleite entronnen, sind die Arbeitsplätze von rund 400 hoch qualifizierten Beschäftigten gerettet. Kein Wunder also, wenn Hengl bei den Mitarbeitern eine „sehr gute Stimmung“ ausgemacht hat.

Nachdem die Kartellbehörden Anfang August grünes Licht für die Übernahme gegeben und sich die Gunvor-Verantwortlichen vorige Woche auch noch mit den Gesellschaftern der Transalpinen Ölleitung (TAL) über die Belieferung mit Rohöl geeinigt hatten, gilt jetzt die volle Aufmerksamkeit in der Raffinerie dem sicheren Hochfahren der komplizierten Verarbeitungsprozesse. „Das dauert schon einige Tage“, sagt Pressesprecherin Susanne Ehrnthaler. Denn seit der Insolvenz im Februar lief die Anlage nur im Warmhaltebetrieb.

Anfang September, wenn die TAL von Triest aus die erste Rohöllieferung für die Gunvor-Raffinerie durch ihre Leitung nach Ingolstadt gepumpt hat, kann die Anlage wieder mit voller Kapazität laufen – rund 110 000 Barrel (rund 17,5 Millionen Liter) Öl können täglich zu Bitumen, Benzin, Diesel oder Heizöl verarbeitet werden. Der erste Tanker von Gunvor wurde nach TAL-Angaben am Wochenende in der norditalienischen Hafenstadt bereits entladen. Und Generalmanagerin Ulrike Andres hat Gunvor kürzlich auch „den sofortigen und langfristigen Zugang zum Pipeline-System der TAL“ zugesagt.

Bei Gunvor selbst – das 1999 gegründete russische Unternehmen mit Sitz in Nikosia (Zypern) galt bislang als eher verschlossen – ist, was die Neuerwerbung anbelangt, ebenfalls Aufbruchstimmung zu spüren: „Wir beabsichtigen, auf den guten Kundenbeziehungen aufzubauen, um unser Handelsgeschäft in Deutschland und der Alpenregion zu erweitern“, erklärt Vorstandschef Torbjörn Törnqvist. Und: „Gunvor hat eine langfristige Perspektive für die Ingolstädter Raffinerie.“

Offensichtlich haben Törnqvist und sein Kompagnon Gennady Timchenko Größeres vor. Sie versprechen weitere Investitionen in den Verarbeitungsbetrieb an der Donau. Denn dessen Erwerb bedeute für Gunvor nach dem vorangegangenen Kauf der früher ebenfalls zu Petroplus gehörenden Raffinerie in Antwerpen „einen ersten Schritt, um sich in Deutschland zu etablieren“. Dafür werden auch neue Mitarbeiter gebraucht. Etwa 30 Beschäftigte, die während der Insolvenz gegangen sind, sollen rasch ersetzt werden.

Gunvor gilt als einer der weltweiten Marktführer in Handel, Transport, Lagerung und Aufbereitung von Rohöl und anderen Energieprodukten. Was das Unternehmen mit einem Umsatz jenseits der 50 Milliarden Dollar für die deutschen Vermögenswerte von Petroplus auf den Tisch legt, ist zwar Verschlusssache. In Branchenkreisen wird aber ein dreistelliger Millionenbetrag genannt. Petroplus zahlte 2007 für den damaligen Esso-Betrieb knapp 427 Millionen Euro. „Das waren aber ganz andere Zeiten und Umstände“, warnt ein Branchenkenner vor Spekulationen.

Für Betriebsratschef Hengl ist das ohnedies eher nebensächlich. Für ihn zählt, dass der Standort und die Jobs gesichert sind. „Es spricht ja für die Qualität der Leute und der Raffinerie, dass wir von einem Unternehmen wie Gunvor übernommen werden.“ So erwartet Hengl auch „einen guten Start“ des Betriebs unter neuer Flagge. Und die Flasche Schampus macht er auch noch auf – „wenn alles rund läuft“.