Ingolstadt
Suchmaschine statt Probefahrt

Vertrieb von Fahrzeugen steht vor einer Revolution Opfer könnten die klassischen Händler sein

07.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:49 Uhr

Ingolstadt (DK) Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind - so sagt der Volksmund. Viele sind bereit, für ihren Traum bis an die finanzielle Schmerzgrenze zu gehen. In Deutschland ist der Markt zwar umkämpft, bei genauer Betrachtung aber weitgehend aufgeteilt. Vertragspartner großer Marken haben meist keine Konkurrenz aus dem eigenen Lager. Laut Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer ist dieses System nicht zum Vorteil der Kunden ausgelegt - und wird sich durch das Internet radikal wandeln.

Der Professor für Automobilwirtschaft stellt eine Prognose in den Raum: "Ich glaube, der Handel wird sich in den nächsten zehn Jahren grundlegend verändern", sagt er gegenüber unserer Zeitung. Als Vorbild nennt er den klassischen Einzelhandel, in den kaum noch jemand investiere. So könnte es nach Dudenhöffers Meinung auch dem deutschen Autohandel ergehen.

Doch wie ist dieser Markt eigentlich aufgebaut? In der Bundesrepublik gibt es eines der dichtesten Händlernetze Europas. In nahezu jeder Stadt findet sich ein Vertragspartner jedes Herstellers - aber eben oft nur einer. Hier beginnen für Dudenhöffer bereits die Probleme. "Die Autobauer versuchen, den Interbrand-Wettbewerb - also Wettbewerb mit Händlern der gleichen Marke - gering zu halten", erklärt der Experte. Für den Kunden kann dies zum Nachteil werden. Denn wer mit einem Angebot nicht zufrieden ist, muss weite Wege in Kauf nehmen, um einen anderen Vertragspartner der gewünschten Marke zu konsultieren.

In diesem Zusammenhang fällt schon mal das böse Wort "Kartell". Doch Ausnahmen im deutschen Recht wie die sogenannte Gruppenfreistellungsverordnung erlauben ein solches System. "Das sind Geschäftsmodelle von vorgestern. Morgen werden Amazon und andere Akzente im Autovertrieb setzen", so Dudenhöffer.

Der Experte zeichnet also ein düsteres Bild der Zukunft - zumindest aus Sicht der Autohändler. Doch einmal bei denen nachgefragt, zeigt sich schnell, dass sich die Branche eher wenige Sorgen macht. So zum Beispiel Stefan Schwarzbauer, Prokurist am Neuburger Standort des Autohauses an der B 13. Er sagt eindeutig, dass er sehr zufrieden sei mit dem aktuellen Vertriebssystem in der Automobilbranche. "Ich sehe mich nicht in Konkurrenz zum Internethandel." Die Kunden wollten auch zukünftig die Fahrzeuge anschauen und anfassen. Deshalb sieht er die Stärken der Autohäuser in der Kundenberatung: "Sie können nicht ins Internet fahren, um dort den Service machen zu lassen", sagt Schwarzbauer.

Ähnlich äußert sich Martin Klepmeir vom gleichnamigen Autohaus in Langenbruck. "Beim Autokauf geht es nicht selten um jede Menge Geld. Da wollen die Kunden Sicherheit und einen direkten Ansprechpartner", sagt er. Es gehe um Vertrauen, was laut Klepmeir im Internet nicht immer der Fall sei. Außerdem könnten Händler noch immer mit Dingen wie Beratung und Nähe punkten.

Doch nicht jedes verkaufte Auto ist fabrikneu. Ein Gebrauchter kann eine Alternative sein. Seit Januar wurden in Deutschland gut 3,7 Millionen sogenannte Besitzumschreibungen verzeichnet - also schon einmal zugelassene Fahrzeuge verkauft. Hier bieten unzählige Plattformen im Internet Angebote für Käufer und Verkäufer gleichermaßen. Wer aber denkt, dass sich die Gebrauchtwagenhändler automatisch bedroht sehen, irrt. Rainer Zylka aus Ingolstadt etwa ist einer von Dutzenden Kfz-Meistern in der Region, die Fahrzeuge ankaufen, aufbereiten und weiter verkaufen. "Ich sehe mich immer als Händler des Vertrauens. Viele misstrauen den Angeboten im Internet." Seiner Meinung nach beruhige es die Kunden, dass vor dem Kauf ein Experte den Zustand des Wagens gecheckt hat. Zudem wüssten die meisten Menschen den direkten Kontakt mit einem Familienunternehmen zu schätzen.

Und wie bewerten die Autobauer das derzeitige Vertriebssystem und die Zukunft des klassischen Vertragspartners? Bei der Ingolstädter VW-Tochter Audi beispielsweise bekennt man sich zum Händlernetz und sieht weiter die Zukunftsfähigkeit gegeben. "Die Händler sind das Rückgrat unseres Geschäfts und werden es bleiben", so ein Audi-Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung. Dennoch soll die Fahrzeugpräsentation in Zukunft digitaler werden. Als Vorlage dienen die Cyber-Stores namens Audi City, die es derzeit nur in Metropolen wie Berlin, Istanbul oder Peking gibt. Hier können sich die Kunden ihr Auto zusammenstellen und es auf riesigen Monitoren - künftig auch mittels Virtual-Reality-Brille - in Lebensgröße anschauen. "Der Vorteil ist, dass der Kunde alle Modelle mit allen möglichen Varianten in einem einzigen Autohaus sehen kann", so der Sprecher.