Ingolstadt
Spannende Zeiten

Die Zahlen von Audi sind gut, die Wirtschaftslage bleibt aber unberechenbar – Neue Modelle sollen den Erfolg sichern

10.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:33 Uhr

−Foto: Jürgen Schuhmann

Ingolstadt (DK) Wenn Audi jährlich im März die Zahlen des Vorjahres präsentiert, lässt sich nach manchen Abläufen die Uhr stellen: etwa, dass sich zu Beginn die Vorstände für die Fotografen formieren und lächelnd – meistens zumindest – den Jahresbericht in die Kameralinsen halten.

Oder, dass zum Ende der Veranstaltung immer ein Journalist fragt, ob Audi nun endlich in die Formel 1 einsteigt – was Audi-Chef Rupert Stadler verneint. Insofern war auch heuer alles wieder wie gewohnt. Bis auf eine kleine Überraschung zum Auftakt: Der Podiumsplatz ganz rechts blieb leer. Eigentlich hätte hier Beschaffungsvorstand Bernd Martens sitzen sollen. Mögliche Spekulationen über ein Stühlerücken in der Chefetage erstickte Pressechef Toni Melfi allerdings gleich im Keim: Martens könne wegen eines Bandscheibenvorfalls nicht teilnehmen. Wer auf eine dicke Schlagzeile gehofft hatte, wurde enttäuscht.

Stadler konnte also entspannt mit der Präsentation eines „soliden Ergebnisses“ beginnen: Mehr als 1,74 Millionen ausgelieferte Fahrzeuge – ein neuer Rekord. Wieder einmal. Das operative Ergebnis legte im Vergleich zum Vorjahr um rund 100 Millionen auf 5,15 Milliarden Euro zu. Und weil der Ingolstädter Autobauer damit einmal mehr rund 40 Prozent zum Gewinn des Volkswagenkonzerns beiträgt, dürfte unter den Mitarbeitern ein altbekannter Spruch die Runde machen: „Bei uns trinkt die Kuh vom Kalb.“ Natürlich nur, wenn kein VW-Kollege in Hörweite ist.

So weit, so gut. Nur bei genauerer Betrachtung findet sich dann eben doch das ein oder andere Haar in der Suppe: Die operative Umsatzrendite sank zum dritten Mal in Folge – auf 9,6 Prozent. Und trotz gesteigerten Gewinns müssen sich die Mitarbeiter mit einer geringeren Erfolgsbeteiligung zufriedengeben: 6540 Euro werden es heuer im Durchschnitt sein. Im vergangenen Jahr waren es noch 6900 Euro. Audi begründet das mit einer Vielzahl von Neueinstellungen.

Angesichts der gewaltigen Investitionen, die der Ingolstädter Autobauer derzeit stemmt, ist das alles kein Beinbruch: Bis 2020 will Audi seine Modellpalette von aktuell 52 auf 60 Automobile erweitern, und in Mexiko wird immer noch fleißig am neuen Q5-Werk gebaut. Allerdings konnte die Chefetage auch nicht verhehlen, dass die Konkurrenz nicht schläft: Die „hohe Wettbewerbsintensität in einigen Schlüsselmärkten wirkte ergebnisbelastend“, sagte Audi-Finanzvorstand Axel Strotbek. Vor allem Mercedes hat im Auto-Eldorado China im vergangenen Jahr einen großen Sprung nach vorne gemacht. Wobei Audi mit 578 931 (plus 17,7 Prozent) verkauften Autos im Reich der Mitte immer noch bestens dasteht.

Ebenfalls erfreulich für die Ingolstädter: Auch in den USA konnten sie weiter zulegen – und zwar um 15,2 Prozent auf 182 011 Fahrzeuge. In Europa verkaufte der Autobauer rund 763 000 Fahrzeuge. Den prozentual gewaltigsten Zuwachs gab es in Brasilien mit fast 90 Prozent. Das Paradoxe: Die allgemeine Nachfrage nach Autos ist in Brasilien deutlich zurückgegangen, im Premium-Segment schlugen die Kunden dafür umso mehr zu. Ein Rekordergebnis legte auch die italienische Sportwagentochter Lamborghini hin: 2530 Auslieferungen waren es 2014 – ein stolzer Zuwachs von 19,3 Prozent. Besonders das kleinere Modell Huracan fand viel Anklang bei den finanziell potenten Kunden.

Audi-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg bekräftigte noch einmal die Pläne, den neuen A8 ab 2017 mit einem System für das pilotierte Fahren auszustatten. Experten hatten allerdings schon nächstes Jahr mit der Neuauflage des Audi-Flaggschiffs gerechnet. Eine Art Q7-Coupé namens Q8 soll die verkaufsstarke Q-Reihe weiter verstärken. Außerdem kündigte Hackenberg für 2018 ein rein batteriebetriebenes Sports Activity Vehicle an – mit einer Reichweite von mindestens 500 Kilometern. Dabei dürfte es sich um einen Q6-e-tron handeln.

Auch in Sachen Effizienz soll sich einiges tun – das Stichwort lautet EAV. Dahinter verbirgt sich nicht etwa die österreichische Klamauk-Band Erste Allgemeine Verunsicherung, sondern der „elektrisch angetriebene Verdichter“, der mit zusätzlichem Schub im Drehzahlkeller zukünftige Generationen von Dieselmotoren noch attraktiver machen soll.

Und während man bei Audi der Formel 1 gestern wieder eine klare Absage erteilte, zeigte Hackenberg an einer Alternative durchaus Interesse: der Formel E – eine Art Elektro-Formel-1. Allerdings müssten sich für einen Einstieg des Ingolstädter Autobauers das Reglement noch ändern – das sei zu restriktiv.

Das Schlusswort im Audi-Forum hatte dann wieder Audi-Chef Stadler – und der wurde ungewohnt politisch. „Die europäische Frage ist für viele Europa-Gegner leider ein willkommenes Wahlkampfthema“, so Stadler. „Ihre Rhetorik lässt uns beinahe vergessen, was uns Europäer so stark macht: unsere Einheit.“ Außerdem betonte Stadler die Wichtigkeit des transatlantischen Handelsabkommens: „TTIP ist die einzigartige Chance für zollfreies Wirtschaften zwischen den USA und der EU, den Abbau anderer schwerer Handelshemmnisse und für einheitliche Standards“, sagte der Audi-Chef. „Denn unterschiedliche Standards kosten Zeit und Geld.“

Die für 2020 angepeilte Absatzmarke von zwei Millionen Fahrzeugen will Stadler nun schon früher erreichen – wenn nichts dazwischenkommt. „Jedes Wirtschaften ist immer eine Wette auf die Zukunft“, sagte er. Bleibt den Ingolstädtern zu wünschen, dass sie ihre Einsätze richtig verteilt haben.