Ingolstadt
"Die Deutschen sparen falsch"

DVAG-Chefvolkswirt Götz rät, fürs Alter vorzusorgen und Förderungen mitzunehmen

17.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:48 Uhr

Ralf-Joachim Götz. - Foto: DVAG

Ingolstadt (DK) Festgeld oder Sparbuch, Aktien, Edelmetalle oder Immobilien: Da Null- oder gar Negativzinsen drohen, wissen viele Bürger derzeit nicht, wie sie ihr gespartes Geld anlegen sollen. "Je längerfristig der Zeithorizont ist, desto mehr Risiko kann man eingehen", sagte Ralf-Joachim Götz, Direktor und Chefvolkswirt der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) bei einem Redaktionsbesuch in Ingolstadt.

Wichtig sei es, zu streuen und staatliche Förderungen mitzunehmen.

"Die Deutschen sparen aus meiner Sicht im Verhältnis zu ihren Sparzielen falsch", so Götz. Obwohl nicht wenige Experten von einer Geldanlage in eine Lebens- oder Rentenversicherung abraten, ist er ein Befürworter. "Das Lebensversicherungsgeschäft läuft bei uns gut bis sehr gut. Und in einer Gesellschaft, die immer älter wird, sollte man einen Baustein haben, der die steigenden Chancen auf ein langes Leben auch finanziell absichern kann." Etwa eine Rentenversicherung.

"Wenn man zurückblickt, was Lebensversicherungen wirklich eingebracht haben, dann ist die Verzinsung in den vergangenen zehn Jahren sicherlich zurückgegangen, von etwa 4,25 auf gut 3 Prozent. Das ist nicht schön, aber das ist weitaus besser, als beispielsweise die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen, die jetzt nahe null Prozent liegt."

Was viele Experten nach wie vor kritisch sehen, ist, dass die Deutschen immer noch knapp 600 Milliarden Euro auf Sparbüchern liegen haben, und dafür häufig gar keine Zinsen bekommen. Oft fühlen sich die Bürger unsicher oder verstehen die angebotenen Finanzprodukte kaum. "Der Beratungsbedarf ist heute deutlich größer als noch vor einigen Jahren", hat auch Götz bemerkt. "Und da ist es wichtig, dass man als Berater Vertrauen vermittelt und dass dieses Vertrauen nicht missbraucht wird: Die Versorgungslücken werden ja eher größer."

Und wenn man jetzt Geld übrig hat? "Wir fragen erst einmal ab, ob elementare Risiken abgesichert sind, etwa die Berufsunfähigkeit. Dann wollen die Menschen allgemein zurücklegen, eine sichere Altersvorsorge haben, und immer mehr wollen eine eigene Immobilie. Nicht nur, um darin zu wohnen, sondern auch als Kapitalanlage zum Vermieten." Doch man sollte nur in Immobilien investieren, wenn es zum Leben passt, betont Götz. Wichtig sei, darauf achtzugeben, dass Lage und Preis stimmten.

Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage hat ergeben, dass wegen der niedrigen Zinsen mehr als die Hälfte der Erwerbstätigen in Deutschland keine neuen Verträge für die Altersvorsorge abschließt, teilte das Institut YouGov mit. Gleichzeitig plant dagegen mehr als jeder vierte Erwerbstätige, sich eine Immobilie zur Eigennutzung oder Vermietung anzuschaffen (27 Prozent). "Doch wer nicht selbst in der Immobilie wohnen will, sondern sie als Kapitalanlage sieht, muss aufpassen", warnt Götz. Denn die Mieten steigen nicht so schnell wie der Kaufpreis. "Da muss man sehen, dass man nicht in eine Falle läuft."

Ein Versprechen auf eine höhere Rendite geben derzeit Aktien und Aktienfonds. "Die langfristige Betrachtung zeigt, dass aktienbezogene Investments in den meisten Fällen positiv sind", so der Chefvolkswirt. Allerdings dürfte man keinem Menschen, der kurz vor der Rente ist, raten, voll in Aktienfonds einzusteigen. Jüngere Sparer könnten dagegen risikofreudiger sein und eine deutlich höhere Aktienquote im Depot haben. Wichtig sei aber, dass diese über die Jahrzehnte abgebaut werde. Bei Berufsanfängern können auch vermögenswirksame Leistungen interessant sein. "Was ich generell machen würde - anders als viele Experten -, ist, einen Riester-Vertrag abzuschließen. Gerade wegen der Förderung. "Allein mit einem Sparbuch wird man seine Sparziele nicht erreichen, weil das Thema Zinseszinsen nicht funktioniert", sagte Götz. Ein Beispiel: Wenn man ein Sparziel von 100 000 Euro in 40 Jahren durch regelmäßige monatliche Einzahlungen erreichen will, haben früher bei 9 Prozent 24 Euro monatlich gereicht, jetzt bei einem Prozent sind es 170 Euro im Monat.

Einem möglichen Negativzins für Privatkunden steht er skeptisch gegenüber. "Es wäre ein großes Signal für die Kunden, und viele würden ihr Geld abheben oder auf andere Banken verlagern." Die Bargeldhaltung, die jetzt schon bei mehr als 145 Milliarden Euro liegt, würde weiter steigen.

Manche Anleger weichen auf Gold, Silber oder Platin aus? Götz: "Bei großen Vermögen könnte man über eine Beimischung nachdenken, aber das Problem ist, dass kleinere Barren oder Münzen erhebliche Ausgabeaufschläge haben - das können bis zu 20 Prozent sein. Und Gold muss man aufbewahren, es bringt keine Zinsen und unterliegt Schwankungen."