Ingolstadt
Auf ein Neues

09.01.2015 | Stand 02.12.2020, 21:47 Uhr

 

Neuer Q7, neuer A4: Bei Audi stehen 2015 wichtige Modellwechsel an – Doch was passiert sonst noch beim Autobauer?

Es ist das ewige Rennen: Audi gegen Mercedes und BMW. Seit Jahren kämpft das Trio um den Titel des erfolgreichsten Premiumherstellers – mit ständig wechselnden Erfolgsaussichten. Erst sah es danach aus, als verliere Mercedes längerfristig an Boden, dann jedoch feuerten die Stuttgarter ein Modellfeuerwerk ab und gelangten schnell wieder in die Spur – vor allem die neue S-Klasse verkauft sich wie geschnitten Brot. Gleichzeitig hatte BMW mit seinen futuristischen E-Mobilen i3 und i8 lange die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, wurde als Vorreiter gefeiert. Doch jetzt, wo der Spritpreis auf ein Rekordtief gefallen ist, scheinen die Münchner E-Mobile gleich weniger begehrenswert. Und Audi? Letztes Jahr gab es außer dem neuen TT nicht viel Neues – bis November: Auf der Los Angeles Auto Show stellten die Ingolstädter mit dem Konzeptfahrzeug Prologue ihr neues Design vor. Das fand viel Zuspruch – nur leider wird es noch dauern, bis man es auch auf der Straße sieht. Und bis dahin

Heuer stehen einige wichtige Modellwechsel an: Auf der ersten großen Messe des Jahres in Detroit wird Audi in wenigen Tagen den neuen Q7 vorstellen. Das Ingolstädter Flaggschiff-SUV wird das erste Auto im Volkswagen-Konzern der zweiten Generation des modularen Längsbaukastens – intern „MLB Evo“ genannt. Um bis zu 325 Kilo hat das Dickschiff im Vergleich zum Vorgänger abgespeckt, ein starker Wert – auch, wenn zum Start des Projekts sogar 400 Kilo anvisiert waren. Wie alle neuen Audi wird der Q7 über das Virtual Cockpit des TT verfügen, zusätzlich gibt es einen Monitor in der Mittelkonsole und Tablets für die Fondpassagiere. Der Q7 ist minimal kürzer und schmaler als sein Vorgänger – vor allem aber durch das schnörkellose Design wirkt der Nachfolger weniger wuchtig. Ein coupéartiger Q8 ist übrigens angeblich schon beschlossene Sache, ebenso wie ein Q6 – also ein Q5-Coupé.

Im Sommer steht die Präsentation des neuen A4 auf dem Programm – der Nachfolger wird mit Spannung erwartet, handelt es sich doch um das meistverkaufte Fahrzeug aus Ingolstadt. Wie auch der Q7 hätte der A4 schon viel früher kommen sollen – doch Audis Entwicklungschef Ulrich Hackenberg hatte an der Technik noch einiges nachzujustieren. Am Design allerdings war nicht mehr viel zu rütteln, als Hackenberg im Sommer 2013 überraschend nach Ingolstadt zurückkehrte – denn die Werkzeuge waren zum größten Teil bereits fertig. Für den 64-Jährigen kein Grund zur Freude, denn der neue A4 reißt designtechnisch keine Bäume aus. Hackenberg hätte sich wohl eine deutlich progressivere Formensprache gewünscht, schließlich hat das Fahrzeug einige technische Schmankerl an Bord – unter anderem den neuen E-Turbo.

Bereits im Frühjahr wird der R8-Nachfolger enthüllt, auch hier heißt es: Evolution statt Revolution – zumindest, was die Optik angeht. Das Design orientiert sich stark am Vorgänger. Dafür soll es diesmal ganz sicher eine Elektroversion geben. Denn Hackenberg war schwer verärgert darüber, dass sein Vorgänger Wolfgang Dürheimer bei dem Projekt den Stecker gezogen hatte. Eine von Hackenbergs ersten Amtshandlungen war deshalb, das Projekt wieder aus der Schublade zu holen. Die neue Reichweite beträgt nun 450 Kilometer, statt vorher 215. Mit diesem Antrieb will Audi in absehbarer Zeit auch ein SUV befeuern. Wie die deutliche Reichweitensteigerung zu Stande kam? „Vielleicht hat man vorher nicht hart genug daran gearbeitet.“ Klare Worte von Audis Chefentwickler.

Mit seinen 64 Jahren muss Hackenberg nicht mehr übermäßig diplomatisch sein. Die Station bei Audi wird wohl die letzte in seiner Berufslaufbahn sein. Zeit zum Verschnaufen hat er aber nicht. Nach Ingolstadt beordert haben sie ihn auch, weil er die nötige Autorität besitzt, schnelle Entscheidungen zu treffen. Die unglaubliche Beschleunigung setzt die Autobauer unter Druck: Was in ein paar Jahren der Trend ist, lässt sich nur schwer vorhersehen. Mit Google und Tesla sind neue Mächte ins Spiel gekommen. Der Suchmaschinengigant hat ein selbstfahrendes Auto vorgestellt – ohne Lenkrad und Pedale. Tesla hat absolut alltagstaugliche Elektroautos im Programm.

Hackenberg muss sich als Entwicklungschef nun viele neue Technologien anschauen. Häufig sieht man ihn mit einer Smartwatch am Handgelenk, weil er wissen will, was man damit in Verbindung mit Autos alles anstellen kann. Google Glass? Hackenberg winkt ab. Habe er schon ausprobiert – im aktuellen Stadium sehe er dafür aber keine Verwendung im Auto. Zu viel Ablenkung.

„Hacki“, wie sie ihn in Ingolstadt liebevoll nennen, will noch einmal zeigen, was er kann. „Ich habe so viele Produkte gemacht“, sagt Hackenberg. „Und als die auf den Markt kamen, war ich weg.“ So eine Anmerkung bringt ihm in einer Runde unter Journalisten natürlich einige Lacher ein. Im Grunde meint er es aber schon auch ernst. Es ist eine Anspielung auf seine zahlreichen Wechsel zwischen Audi und dem Mutterkonzern VW. Jahrelang hatte er etwa am neuen VW Passat gearbeitet – als das Auto im vergangenen Jahr unter großem Beifall vorgestellt wurde, saß Hackenberg allerdings schon wieder am Schreibtisch in Ingolstadt. Die Lorbeeren heimsten andere ein.

Der Wechsel zu Audi fiel ihm schwer, nicht weil er sich hier nicht wohlfühlt, sondern weil er sich bei VW über Jahre seine Strukturen aufgebaut hatte. Um in Ingolstadt nicht ganz von vorne beginnen zu müssen, war es quasi Bedingung für seine Rückkehr, dass mit ihm auch Marc Lichte als Designchef wechselt. Bereits sieben Jahre haben die beiden Hand in Hand gearbeitet. „Wir sind ein eingespieltes Team“, sagt Hackenberg. „Das bringt viel Geschwindigkeit.“

Am liebsten würden die beiden wohl sofort den neuen A8 produzieren, der das scharfe Gesicht der Los-Angeles-Studie Prologue trägt. Doch die nächsten beiden Jahre kommen erst einmal noch Autos auf den Markt, die aus der Feder von Lichtes Vorgänger Wolfgang Egger stammen: A4, A5, R8 und nun als Erstes der neue Q7 – von der Optik her eher behutsame Weiterentwicklungen.

Doch was die Frische betrifft, gibt es erste Licht(e)blicke. Schluss mit dem Design-Einerlei macht der ab Mitte 2016 in Ingolstadt produzierte Q1. Ein völlig neuer Mix, den man sich ganz grob so vorstellen kann: vorne ein wenig Mercedes A-Klasse, die Dachlinien ein wenig Range Rover Evoque, die Rückleuchten ähneln dem VW Polo. Für Spannung sorgen die im Polygon-Design gestalteten Flanken – polygone Formen werden sich auch in den Querstreben des Grills wiederfinden. Damit hat Audi ganz klar junge Käufer im Visier. Man sei zuversichtlich, dass dieses Auto den bestens laufenden Q5 in Ingolstadt angemessen ersetzen wird. „Freches Design“, sagt Lichte. „Sehr charakterstark.“

Auch grundsätzliche Veränderungen stehen an – etwa beim Infotainment. „Wir arbeiten an einer neuen Bedienphilosophie“, sagt Hackenberg. Die Menschen haben sich einfach zu sehr an die Touch-Bedienung gewöhnt. Im Klartext: Der Dreh-Drücksteller ist ein Auslaufmodell – auch wenn sie ihn in Ingolstadt so sehr perfektioniert hatten, dass sie ihn am liebsten gar nicht mehr hergegeben hätten. In einigen Jahren wird er verschwunden sein.

Dauerthema bleibt das pilotierte Fahren. Ständig laufen Forschungsprojekte – doch der neue A8 soll eine neue Stufe in der Serie erreichen. Bis 60 km/h soll das Auto von alleine fahren. Der Unterschied zu den aktuellen Systemen: Hier ist immer noch der Fahrer in der Verantwortung – Hackenberg spricht dabei vom „assistierten Fahren“. Der A8 dagegen soll komplett alleine fahren – und bis zu zehn Sekunden vorausschauen können. So lange dauert es nämlich im schlechtesten Fall, bis der Fahrer dann wieder das Steuer übernehmen kann. Außerdem soll das Auto im Notfall – etwa wenn der Fahrer einen Herzinfarkt hat – nicht nur alleine anhalten, sondern selbstständig an den Straßenrand fahren, um dort zu stoppen. Das alles ist sehr komplex: Das System muss redundant sein – also, zwei- bis dreimal abgesichert. Das erfordert eine Menge Rechenleistung und vor allem Entwicklungsarbeit. Hackenbergs Team wird die Arbeit also so schnell nicht ausgehen.