Ingolstadt
Reichte die Kontrolle nicht aus?

Verfahren gegen Unbekannt: Staatsanwaltschaft untersucht, ob Audi-Vorstand Aufsichtspflicht verletzte

03.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:41 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt in der Diesel-Affäre nicht nur wegen Betrugsverdachts und eventuell strafbarer Werbung gegen Audi. Wie die Behörde gestern bestätigte, laufen Untersuchungen gegen Unbekannt innerhalb des Vorstands wegen möglicher Aufsichtspflichtverletzung.

Auf wessen Betreiben der Audi-Vorstand in dieser Sache nun in den Blickpunkt gerückt ist, konnte Karin Jung gestern auf Anfrage nicht sagen. Die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II bestätigte jedoch, dass "es ein Bußgeldverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz gegen noch unbekannte Audi-Vorstände gibt". Wann mit einem Ergebnis zu rechnen ist, lasse sich derzeit nicht abschätzen, erklärte die Staatsanwältin.

Der Ingolstädter Autohersteller gab keine weiterreichende Stellungnahme ab, wohl weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt. Aber "wir können den Eingang eines entsprechenden Schreibens der Staatsanwaltschaft München bestätigen. Wir werden auch weiterhin konstruktiv mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten", teilte Unternehmenssprecher Oliver Scharfenberg mit.

Wann eine Aufsichtspflichtverletzung durch Führungskräfte vorliegt, besagt Paragraf 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Er ist Grundlage der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen. Der Text liest sich durchaus sperrig: "Wer als Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens vorsätzlich oder fahrlässig die Aufsichtsmaßnahmen unterlässt, die erforderlich sind, um . . . Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist, handelt ordnungswidrig, wenn eine solche Zuwiderhandlung begangen wird, die durch gehörige Aufsicht verhindert oder wesentlich erschwert worden wäre." Ergänzend heißt es: "Zu den erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen gehören die Bestellung, sorgfältige Auswahl und Überwachung von Aufsichtspersonen."

Ein Vorstandsgremium wie das bei Audi hat also in anderen Worten gesagt dafür Sorge zu tragen, dass Mitarbeiter unterer Ebenen im Konzern nicht ohne ausreichende Kontrolle autonom schalten und walten können. Bestätigt sich eine solche Aufsichtspflichtverletzung, kann sie - falls der Betrugsverdacht gegen Audi sich erhärtet - mit einer Geldbuße bis zu einer Million Euro geahndet werden. Es könnte also durchaus teuer für den einen oder anderen Audi-Vorstand werden. Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig, ob gegen VW-Vorstandsmitglieder in Wolfsburg ebenfalls ein Verfahren wegen eventueller Aufsichtspflichtverletzungen läuft, blieb gestern unbeantwortet.

So weit die Behördenseite. Ob die Vorstände bei Audi in Ingolstadt und VW in Wolfsburg intern mit Schadensersatzforderungen rechnen müssen, steht auf einem anderen Blatt. Diese Frage wird sicher bereits Thema in den Aufsichtsräten gewesen sein. Ex-VW-Chef Martin Winterkorn und der Audi-Vorstandsvorsitzende Rupert Stadler hatten stets betont, von den Manipulationen bei der Diesel-Abgas-Technik bis zuletzt nichts gewusst zu haben.

Gleichwohl kann dennoch ein Organisationsverschulden seitens der Konzernmanager vorliegen, wenn die internen Abläufe und Strukturen Mängel aufwiesen, die solche Machenschaften bis hin zu Gesetzesverstößen ermöglichten.