Ingolstadt
Razzia bei Ex-Vorstandsmitgliedern

Ulrich Hackenberg und Stefan Knirsch sollen in den Diesel-Skandal bei Audi verwickelt sein

22.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:47 Uhr

Ingolstadt (DK) Nach der Razzia ist vor der Razzia – in Zusammenhang mit der Diesel-Affäre bei Audi in Ingolstadt gab es am Donnerstag die vierte Durchsuchungsaktion seit vergangenem März. Diesmal standen erstmals zwei ehemalige Vorstandsmitglieder des Autoherstellers im Visier der Ermittler. Drei Wohnungen und ein Büro wurden gefilzt, unter anderem in Ingolstadt, Potsdam, Wolfsburg und im Kreis Eichstätt.

Bei den Ex-Managern aus der Audi-Vorstandsriege handelt es sich um Ulrich Hackenberg, früher Entwicklungschef bei Audi, und seinen Nachfolger Stefan Knirsch, erfuhr unsere Zeitung aus informierten Kreisen. Hackenberg war im September 2015 nach Bekanntwerden des Abgas-Skandals beurlaubt worden und im Dezember 2015 aus dem Vorstand ausgeschieden. Stefan Knirsch hatte sich nach dem Weggang Hackenbergs nicht einmal neun Monate im Amt halten können, bevor er ebenfalls einpacken musste. Er hatte zuvor ab Mai 2013 die Aggregate-Entwicklung bei Audi geleitet und soll schon lange vor Bekanntwerden der Diesel-Affäre von den Manipulationen gewusst haben. So soll es zumindest ein VW-Ingenieur bei Vernehmungen gegenüber US-Ermittlern angegeben haben.

Drei Staatsanwälte und etliche Kräfte des bayerischen Landeskriminalamtes waren Donnerstagvormittag mit Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts München in den Privathäusern der Ex-Vorstände im Landkreis Eichstätt sowie in Potsdam und bei einem weiteren Beschuldigten in einem Stadtteil im Ingolstädter Westen angerückt – letzterer erhielt zudem Besuch an seinem Arbeitsplatz. „In unseren Werken in Ingolstadt und Neckarsulm war aber keine Polizei“, meinte dazu Audi-Sprecher Jürgen de Graeve. Karin Jung von der Staatsanwaltschaft München  II bestätigte das: „Der dritte Beschuldigte ist nicht mehr für Audi tätig, wir waren an dessen jetziger Arbeitsstelle, damit uns nichts entgeht.“

Nach unserer Zeitung vorliegenden Informationen soll der Mann inzwischen für die Aggregate-Entwicklung des VW-Konzerns verantwortlich sein. Das erklärt, weshalb am Donnerstag außer im Raum Ingolstadt und Potsdam auch in einem Gästehaus in Wolfsburg Durchsuchungen stattfanden.

Wie die Behörde weiter bekannt gab, bestehe bei allen drei Männern der Verdacht, dass sie „für das Inverkehrbringen zumindest eines wesentlichen Teils der mit manipulativer Abgas-Steuerungssoftware ausgestatteten Kraftfahrzeuge mitverantwortlich waren“. Der Vorwurf laute auf Betrug und unlautere Werbung. „Die Zahl der Beschuldigten hat sich inzwischen auf 17 erhöht“, sagte Sprecherin Karin Jung. Wie lange die Ermittlungen bei Audi und Volkswagen sich noch hinziehen werden, vermochte sie nicht einzuschätzen.

Es war die vierte Razzia rund um Audi seit Bekanntwerden der Vorwürfe, zuletzt waren die Ermittler vor zweieinhalb Wochen im Ingolstädter Werk angerückt. Im Mittelpunkt steht manipulierte Abgas-Technik, mit deren Hilfe Diesel-Autos auf dem Prüfstand gesetzliche Vorgaben eingehalten, im Realbetrieb aber teils deutlich gesprengt haben sollen. Die Ermittler gehen von mindestens 210 000 auf diese Weise präparierten Fahrzeugen aus, die seit 2009 in Europa und auf dem US-Markt verkauft worden waren. Lange Zeit hatte es danach ausgesehen, als sei der Skandal allein VW-Sache, bis sich herausstellte, dass die Keimzelle des Betrugs bei Audi liegen soll.

Die erste große Durchsuchung in Ingolstadt hatte vor einem knappen Jahr just am Tag der Jahrespressekonferenz von Audi stattgefunden. Auch gestern kam die Nachricht von einer neuerlichen Razzia zur Unzeit: Am Nachmittag tagte der Audi-Aufsichtsrat in Wolfsburg – an Gesprächsstoff dürfte es jedenfalls nicht gefehlt haben.