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"Kein salomonisches Urteil"

Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen über die BGH-Entscheidung zur Kündigung von Bausparverträgen

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Herr Tenhagen, der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase gut verzinste alte Bausparverträge gekündigt werá †den können. Ist das die befürchtete Hiobsbotschaft für Hunderttausende Sparer?

Hermann-Josef Tenhagen: Dieses Urteil hat schon Signalwirkung. Es macht das Bausparen nicht attraktiver. Allerdings: Die gut verzinsten Verträge dürfen erst zehn Jahre nach Zuteilungsreife gekündigt werden. Das heißt, es geht vor allem um Verträge aus dem letzten Jahrtausend. Für etliche Sparer ist das dennoch sehr unerfreulich. Es bedeutet, dass sie ihre alten Verträge mit guter Verzinsung nicht ewig als Sparanlage laufen lassen können.

Sie halten die Entscheidung des Bundesgerichtshofs für ein salomonisches Urteil?

Tenhagen: Nein, es ist kein salomonisches Urteil, sondern eine Enttäuschung. Die Bausparkassen haben ihre Kunden in der Vergangenheit immer damit geworben, dass es sich bei Bausparverträgen um eine flexible Anlageform handelt. Jetzt soll das alles nicht mehr gelten. Ich kann den Unmut der Betroffenen verstehen. Aber es ist nicht so, dass jeder Bausparvertrag, der im Augenblick nicht für eine Immobilienfinanzierung genutzt wird, sondern als lukrative Anlage, von dem Urteil betroffen wäre.

Das Gericht sagt, die Verträge über zehn Jahre oder mehr als reine Sparanlage laufen zu lassen widerspreche dem Zweck des Bausparens. Wie beurteilen Sie die Argumentation der Richter?

Tenhagen: Ich kann die Abwägung des Gerichts sehr wohl nachvollziehen. Es geht ein Stück weit auch darum, die Bausparkassen zu entlasten und handlungsfähig zu halten. Aber das Urteil entspricht nicht dem, was vielen Kunden bei Abschluss des Vertrages in Aussicht gestellt worden ist.

Heißt das, der Bausparvertrag wird zum Auslaufmodell?

Tenhagen: Der Bausparvertrag ist limitiert in seinen Möglichkeiten. Zehn Jahre nach der Zuteilungsreife ist jetzt Schluss. Das muss man sich überlegen und in die eigenen Planungen einbeziehen. Viele Bausparkassen versuchen, ihre Kunden dazu zu bewegen, alte Verträge von ihrer Seite aus zu kündigen. Damit sollte man sehr vorsichtig sein. Teilweise werden im gleichen Atemzug neue Verträge zu ungünstigeren Konditionen aná †geboten. Das zeigt: Die Bauspar-Anbieter sind eben nicht unbedingt die netten Jungs von nebenan.

Viele Neuverträge der Bausparkassen sehen inzwischen die Möglichkeit einer Kündigung nach 15 Jahren vor. Was halten Sie davon?

Tenhagen: Ein klares Angebot ist ein klares Angebot. Wenn ich einen Vertrag so bekomme, weiß ich, worauf ich mich einlasse. Wenn ich mir damit niedrige Zinsen für mein Darlehen sichern kann, kann Bausparen nach wie vor eine günstige Variante sein - wenn die Zinsen denn in Zukunft steigen. Man sollte eine zukünftige Baufinanzierung aber nicht allein auf einen Bausparvertrag gründen. Festgeld und Aktien-Sparmodelle können das Sparen ergänzen.

Das Gespräch führte

Rasmus Buchsteiner.

Foto: von Schwichow/dpa