Für den Ernstfall gewappnet

Landwirtschaftsminister Schmidt (CSU) über die Schweinepest und das Tierwohllabel

18.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:56 Uhr

Foto: DK

Die Schweinepest, der drohende Abschuss von Wildschweinen und die Zukunft des "Tierwohl"-Labels: Darüber hat Christian Schmidt (CSU) mit uns im Interview gesprochen.

Herr Schmidt, am heutigen Freitag öffnet die Grüne Woche ihre Pforten im Schatten der Afrikanischen Schweinepest. Wie wollen Sie den Kampf gegen die Bedrohung verschärfen?

Christian Schmidt: Die Seuche ist bei uns in Deutschland noch nicht angekommen und wir werden alles dafür tun, dies zu verhindern. Zentral ist: Tierhalter müssen strikte Hygienemaßnahmen einhalten, und Reisende oder Lastwagenfahrer aus Osteuropa dürfen mitgebrachte Wurstbrote an der Raststätte nicht unachtsam wegwerfen. Ich appelliere an alle, diese Vorsichtsmaßnahmen konsequent zu beachten. Wir bereiten uns darauf vor, im Ernstfall gewappnet zu sein.

 

Deutsche Bauern und Jäger verlangen, 70 Prozent aller Wildschweine abzuschießen. Ist diese drastische Maßnahme notwendig?

Schmidt: Keiner wird bestreiten, dass wir zu viele Wildschweine in Deutschland haben und damit auch zu viele potenzielle Krankheitsüberträger. Notwendig ist eine intelligente Reduzierung des Wildschweinbestands - das spielt eine zentrale Rolle bei der Prävention. Durch die Bejagung helfen unsere Jäger verantwortungsvoll mit, das Ausbruchsrisiko zu minimieren.

 

Ist es nur eine Frage der Zeit, bis in Deutschland der erste Fall auftritt und die Schweinezüchter vor massivsten Einbußen stehen?

Schmidt: Ich habe eine Verschärfung der Schweinepestverordnung auf den Weg gebracht. Und ich setze mich bei der EU für wirksame, aber maßvolle Handelsrestriktionen bei einem Schweinepestfall ein. Es wäre unverhältnismäßig, wenn bei einem regional begrenzten Ausbruch gleich alle Züchter in ganz Deutschland von einem Exportverbot betroffen wären. Aber dennoch müssen alle Schweinehalter strengstens darauf achten, die Übertragungswege zu kappen. Einen hundertprozentigen Schutz gibt es aber nicht.

 

Zweites großes Thema der Grünen Woche ist eine tierfreundlichere Fleischproduktion. Vor einem Jahr haben Sie Ihren Plan für ein Tierwohllabel vorgestellt. Warum ist seitdem nichts geschehen?

Schmidt: Die Kriterien für ein mehrstufiges Tierwohllabel im Bereich der Schweinehaltung liegen auf dem Tisch. Es wird ein Label kommen, das Vertrauen schafft, indem die Haltungsbedingungen von Fleisch aus deutscher Herstellung auf einen Blick zu erkennen sein werden. Klar ist auch: Tierwohl gibt es nicht zum Nulltarif. Die Bauern müssen investieren, und diese Investitionen müssen sich auch lohnen. Deswegen haben wir uns in den Sondierungen darauf verständigt, die Bauern bei ihren Investitionen in Tierwohlställe zu unterstützen. Dafür sind Gelder im dreistelligen Millionenbereich vorgesehen. Sobald eine neue Bundesregierung im Amt ist, können wir unmittelbar mit den notwendigen Rechtsetzungsmaßnahmen beginnen.

 

Wird die Branche das staatliche Label akzeptieren?

Schmidt: Nur mit einem staatlichen Label schaffen wir eine verlässliche Kennzeichnung. Wenn jeder Händler sein eigenes Label mit eigenen Kriterien entwickelt, können Schweinehalter nur noch für einen Abnehmer produzieren. Das würde die Preise hochtreiben, aber nicht für einen auskömmlichen Ertrag für die Bauern sorgen. Ich will ein Label, das sich in der Breite behauptet und einen hohen Marktanteil hat. Nur so machen wir den Umstieg für die Bauern auf mehr Tierwohl attraktiv.

 

In vielen Ländern ist Tierwohl noch ein Fremdwort. Wird es auf der Grünen Woche einen Anlauf geben, international für mehr Tierschutz zu sorgen?

Schmidt: Es reicht nicht, in Deutschland paradiesische Zustände zu schaffen. Deswegen kämpfe ich für internationale Standards. Darüber werde ich morgen mit mehr als 70 meiner Kollegen aus aller Welt auf der Berliner Welternährungskonferenz beraten. Konkret geht es um Haltungsbedingungen, Transporte, Antibiotikaminimierung und einen Stopp des Einsatzes von Wachstumshormonen.

 

Was wird aus Ihrem Versuch, für weniger Salz, Fett und Zucker in Fertigprodukten zu sorgen? Die SPD-Fraktion will ein Gesetz mit Sanktionen, sollten die Hersteller ihre Rezepturen nicht freiwillig ändern . . .

Schmidt: Es ist viel Bewegung in diesem Thema. Einige Unternehmen haben angekündigt, ihre Pläne zur Reduzierung von Salz, Zucker und Fett in Fertiglebensmitteln auf der Grünen Woche vorzustellen. Ich habe dazu ein Konzept vorgelegt. Mir geht es nicht um eine Geschmackspolizei oder ein staatliches Rezeptbuch. Es muss ein dynamischer Prozess mit allen Beteiligten sein - auch mit den Verbrauchern.

 

In den Sondierungen haben Sie sich mit Gesundheitsministerin Barbara Hendricks (SPD) auf den Glyphosat-Ausstieg geeinigt. Ist der Stopp für den Unkrautvernichter binnen vier Jahren realistisch?

Schmidt: Wir brauchen einen restriktiveren Einsatz von Glyphosat. Wir werden im Rahmen einer Ackerbaustrategie zusammen mit der Landwirtschaft Alternativen zu Glyphosat entwickeln. Glyphosat gehört auch nicht in die Hände von Hobbygärtnern. Wir wollen Glyphosat für den Privatbereich nicht mehr zulassen. ‹ŒDK

 

Das Interview führte Tobias Schmidt.