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"Es gibt klare Fehlentwicklungen"

Interview mit Agrarminister Christian Schmidt (CSU)

24.06.2015 | Stand 02.12.2020, 21:09 Uhr

Christian Schmidt spricht über den Mindestlohn, steigende Lebensmittelpreise und die Massentierhaltung.

Herr Schmidt, Starkregen im Süden, viel Trockenheit im Rest Deutschland – das Wetter schlägt wieder einmal Kapriolen. Können die Bauern auf eine gute Ernte hoffen?

Christian Schmidt: Es gibt noch Hoffnung. Dass wir im Juni die Schafskälte haben, ist nichts Ungewöhnliches. Es war wichtig, dass es jetzt in allen Teilen des Landes kräftig geregnet hat. Ich höre von den Landwirten, dass sie wieder ein bisschen Mut schöpfen. Es wird sicherlich keine Super-Rekordernte mehr. Wir gehen von Ergebnissen unterhalb des langjährigen Durchschnitts aus.

 

Rechnen Sie mit steigenden Lebensmittelpreisen?

Schmidt: Ich werbe nicht für billig, sondern für preiswert. Das bedeutet, Lebensmittel müssen uns ihren Preis wert sein. Die hohe Qualität unserer deutschen Produkte ist gefragt und darauf vertrauen die Verbraucher. Wir als Verbraucher sollten daher auch bereit sein, den Preis zu zahlen, der für eine wirtschaftlich vertretbare Produktion notwendig ist. Es gilt schließlich, die Produktion in unserem eigenen Land zu sichern.

 

Die Milchquote ist weg – und schon sinken die Preise. Wie viel Sorgen macht Ihnen die Entwicklung?

Schmidt: Die aktuelle Situation hat nicht automatisch etwas mit dem Wegfall der Milchquote zu tun. Hier geht es um Marktschwankungen, wie wir sie immer wieder – auch mit der Quotenregelung – gehabt haben. Unsere Politik des sanften Übergangs hat sich als richtig erwiesen, um die Betriebe auf die Situation jetzt vorzubereiten. Ich beobachte jedoch die Entwicklung der Preise mit Sorge. Aber die Schlussfolgerung kann nicht lauten: Wieder zurück zur Quote!

 

Werden Sie jetzt eingreifen? Die Bauern drohen ja schon mit einem neuen Lieferstreik wie 2009…

Schmidt: Die Europäische Kommission beobachtet den Markt sehr genau. Dann wird überlegt, ob die vorhandenen Instrumente zur Intervention eingesetzt werden. Wir sollten jetzt keine Milchkrise wie 2009 herbeireden. Davon sind wir weit entfernt.

 

Der Mindestlohn ist jetzt sechs Monate in Kraft – auch in der Landwirtschaft. Wie sieht die Bilanz aus?

Schmidt: Der Mindestlohn hat viele, aber nicht alle Erwartungen und Befürchtungen erfüllt. Aber es gibt klare Fehlentwicklungen. Die Regelungen für die Dokumentation und die Kosten für kurzfristig Beschäftigte in der Landwirtschaft bleiben problematisch. Das hat sich in den ersten Monaten gezeigt.

 

Wird es Veränderungen beim Mindestlohn geben müssen?

Schmidt: Konkret kann ich keine Änderungen in Aussicht stellen. Das Thema bleibt für mich trotzdem ganz oben auf der Tagesordnung. Der Mindestlohn hat ja auch Risiken und Nebenwirkungen. Davon ist die Landwirtschaft leider besonders stark betroffen. Ich werde weiter daran arbeiten, die negativen Auswirkungen so gering wie möglich zu halten.

 

Bund und Länder streiten über neue Regelungen für die Gentechnik auf Deutschlands Feldern. Halten Sie fest an Ihrem Plan, dass die Länder selbst über Anbauverbote entscheiden sollen?

Schmidt: Ich will ein flächendeckendes Anbauverbot für grüne Gentechnik in ganz Deutschland. Mein Gesetzentwurf dafür ist rechtssicher, denn darauf kommt es an. Im aktuellen Entwurf ist bereits jetzt verankert, dass Bund und/oder Länder – je nach föderalistischer Zuständigkeit – Anbauverbote erlassen können. Ich erwarte jetzt von den Beteiligten, dass sie sich nicht weiter ideologisch einbetonieren. Wir haben ein gemeinsames Ziel: Ein flächendeckendes Anbauverbot für grüne Gentechnik in ganz Deutschland. Dafür kämpfe ich.
 

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und die Länder halten Ihren Vorschlag für problematisch. Wie reagieren Sie auf die Kritik?

Schmidt: Ich bin und war immer bereit zu Gesprächen, aber ich sehe bisher keinen besseren Vorschlag. Ich bleibe dabei, dass wir im Bundesrecht eine Grundlage für ein bundesweites Anbauverbot benötigen. Wenn der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt die Entscheidung bei den Ländern. Die müssen dann einzeln tätig werden und jeweils ein eigenes Gesetz auf den Weg bringen.

 

Die Kritik an Massentierhaltung in Deutschland ist ein zentrales Thema beim Bauerntag in Erfurt. Ist die Akzeptanz der Landwirtschaft in Gefahr?

Schmidt: Die Landwirtschaft gehört in die Mitte in der Gesellschaft. Leider wird sie oft unter Generalverdacht gestellt. Man muss sich die Mühe der Sachdiskussion machen. Es ist absurd, wenn beispielsweise die Grünen jetzt fordern, die Tierhaltung pro Betriebe auf 600 Kühe zu begrenzen. Das ist Willkür. Wir müssen nicht über Quantität, sondern über die Qualität in der Tierhaltung sprechen. Tierschutz ist keine Frage von großen oder kleinen Ställen. Und: Schwarze Schafe gibt es überall. Bei Verstößen müssen die Behörden entsprechend hart dagegen vorgehen – diese Einzelfälle sind aber kein Freibrief für einen Generalverdacht. DK

 

Die Fragen stellte

Rasmus Buchsteiner.