Hamburg
"China ist nicht mehr die Goldgrube"

24.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:59 Uhr

−Foto: Limmer

Hamburg (DK) Jahrelang gab es für die deutschen Autohersteller in China nur eine Marschrichtung: aufwärts. Doch die Zeiten zweistelliger Zuwachsraten bei den Neuwagenverkäufen scheinen vorbei zu sein. Und damit geraten auch die satten Gewinne ins Rutschen – vor allem offenbar bei VW.

Die erlahmende Konjunktur in China schlägt sich nicht nur in schwächeren Absatzzahlen der europäischen Autohersteller nieder, sondern voraussichtlich auch negativ in deren Gewinn- und Verlustrechnung. So dürfte dem VW-Konzern wegen der aktuellen Nachfrageschwäche im Reich der Mitte am Ende des Jahres rund eine Milliarde Euro beim Ergebnis fehlen. Dies schreibt das „Manager Magazin“ in seiner aktuellen Ausgabe.

„Die Rendite der chinesischen Joint Ventures des Konzerns liege im laufenden Jahr bislang um rund ein Viertel unter der Vorjahresmarge“, so das Magazin über die aktuelle Ertragslage des Wolfsburger Konzerns im Reich der Mitte. Sollten die Verkäufe dort weiterhin so schwach ausfallen wie zuletzt im Juni – minus 6,7 Prozent für VW Pkw und minus 3,9 Prozent im Konzern – so „könne zum Jahresende auch eine zweite Milliarde fehlen“. Angesichts dessen habe Volkswagens China-Chef Jochem Heizmann sogar schon ein Sparprogramm vorbereitet, schreibt das Blatt.

Der chinesische Automobilverband senkte erst kürzlich seine Prognose für das Absatzwachstum auf dem heimischen Markt für 2015 von bislang sieben auf nur noch drei Prozent. Im vergangenen Jahr wurden in China gut 18,3 Millionen neue Pkw verkauft, 2015 könnten es also noch rund 18,9 Millionen werden. Dass es langsamer vorangeht, mussten zuletzt auch die bislang erfolgsverwöhnten Premiumhersteller Audi und BMW erfahren: Im Juni sackten die Absatzzahlen der Ingolstädter VW-Tochter um 5,8 Prozent ab, für BMW ging es um 0,1 Prozent abwärts. Dagegen legte Mercedes Benz – vermutlich wegen des Neuigkeitswerts – um 38,5 Prozent zu.

Wenn weniger verkauft wird, der Konkurrenzkampf schärfer wird und die Rabatte steigen, wird auch weniger verdient. Dies dürfte für den chinesischen Markt in den kommenden fünf Jahren mit nur noch einstelligen Zuwachsraten der Fall sein, folgt man den Erwartungen des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer. Damit dürften auch die Gewinne vor allem der Premiumhersteller langfristig unter Druck geraten.

So ist für Dudenhöffer, Direktor des CAR-Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen, die Sache klar: „Die Traummargen der Premiumhersteller der letzten zehn Jahre im Chinageschäft können für die Zukunft nicht mehr erwartet werden.“ Und sein Kollege Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach sekundiert: „China ist nicht mehr die Goldgrube.“

Das könnte angesichts der inzwischen starken Abhängigkeit der deutschen Autobauer vom chinesischen Markt fatale Folgen haben. Denn nach Berechnungen von Analysten fahren die Oberklassehersteller bislang etwa 30 bis 50 Prozent ihrer gesamten Gewinne in China ein. Und allein die beiden chinesischen Joint Ventures von Volkswagen stehen nach Einschätzung der US-Investmentbank Morgan Stanley für mehr als die Hälfte des Nettogewinns des Wolfsburger Autogiganten.

Ein erstes Alarmsignal gab es Mitte dieses Monats mit der überraschenden Gewinnwarnung von Brilliance, dem chinesischen Joint-Venture-Partner von BMW. Dies werde „kein singuläres Ereignis bleiben“, mutmaßt Dudenhöffer.

Die Gründe für die sich anbahnende Malaise sind vielschichtig: Der staatlich verordnete Umbau der chinesischen Wirtschaft, der Kampf Pekings gegen die grassierende Korruption und die Turbulenzen an den Aktienmärkten lassen die Konsumenten vorsichtiger werden. Bei größeren Anschaffungen wie etwa der eines Autos rücken auch zunehmend die eigenen, weitaus günstigeren Hersteller ins Blickfeld der Verbraucher und der staatlichen Stellen. Und es muss auch nicht mehr unbedingt ein deutsches Premiumfahrzeug sein. Zudem entwickelt sich auch in China allmählich ein Gebrauchtwagenmarkt, der das Neuwagengeschäft bremsen dürfte.

Gleichwohl bleibt China für die Autohersteller ein Wachstumsmarkt, betonen Experten wie Dudenhöffer. Nur werde das Wachstum in Zukunft zyklischer ausfallen. So stehe „Flexibilität in der nächsten Phase als Erfolgsfaktor in China im Mittelpunkt“. Im Augenblick aber gehe es erst einmal um Konsolidierung. Das heißt: „Wer schneller bremst, kommt besser um die Kurve.“ Fragt sich nur, wie tief die Bremsspuren dann in den Bilanzen ausfallen – und wie heftig die denkbaren Folgen etwa auf die Arbeitsplätze.