Frankfurt (DK
Abschied von "Bobby"

Lufthansa schickt ihren Kurz- und Mittelstreckenjet Boeing 737 in Pension

24.10.2016 | Stand 02.12.2020, 19:08 Uhr

Frankfurt (DK) Kein anderes Flugzeug war so eng mit der Lufthansa verbunden wie die Boeing 737. Denn der spätere Weltbestseller wurde erst auf Drängen der Deutschen von dem US-Flugzeughersteller entwickelt. Nun werden bei der Lufthansa die letzten 737-Jets ausgemustert.

Im Cockpit der Lufthansa-Maschine von Frankfurt nach Zürich herrscht entspannte Routine. Für Kapitän Ulrich Pade und den Co-Piloten Christian Preininger ist es einer der letzten Flüge mit der Boeing 737, die zum Wechsel auf den Winterflugplan am 30. Oktober ganz aus der Lufthansa-Flotte verschwindet. "Das Fliegen ist hier noch direkter zu spüren", sagen beide mit leichter Wehmut - während im Hintergrund die großen Trimmräder rattern, die es in neueren Jets nicht mehr gibt.

Es ist für die Lufthansa nicht irgendeine Maschine, deren letzte sieben Exemplare nun auf einen Flugzeugfriedhof nach Florida ausgemustert werden. Die Deutschen drängten in den 1960er Jahren den Hersteller Boeing zu einem kleinen, zweistrahligen "City-Jet", den sie als Zubringer einsetzen wollten. Von der ersten Serie - der B 737-100 - nahm die Lufthansa seit 1968 gleich 22 von 30 gebauten Stück ab und war auch bei den Nachfolgemodellen immer wieder unter den Kunden, so dass am Ende 148 Flugzeuge dieses Typs den Lufthansa-Kranich auf dem Leitwerk hatten.

Die ungewöhnlich kurzen Maschinen - die 100er war mit gut 28 Metern nahezu genau so lang wie flügelbreit - muteten zunächst niedlich an. Prompt brachte Boeing ein Kinderbuch heraus, in dem die kleine 737 als Baby "Bobby" zu ihren Eltern 707 und 727 emporblickte. Dieser Name hat sich in den 48 Jahren, in denen "Bobby" zur Arbeitsbiene der Lufthansa wurde, bei Besatzungen und Technikern gleichermaßen gehalten. In dieser Zeit haben die Maschinen laut Lufthansa rund 250 Millionen Passagiere transportiert und 2,3 Milliarden Kilometer zurückgelegt - fast unvorstellbare 57 500 Erdumrundungen.

Darunter waren bedeutende Flüge und auch bedrückende Ereignisse. Ihren ersten Flug nach Berlin absolvierte die Lufthansa am 2. Oktober 1990 mit einer 737, um rund 100 Bundestagsabgeordnete zur Einheitsfeier zu bringen. Und noch im laufenden Jahr war eine "Bobby" als "Fanhansa" zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich unterwegs.

Ein dunkles Kapitel war die Entführung einer B 737-200 mit dem Taufnamen "Landshut" durch ein palästinensisches Terrorkommando nach Somalia. Die Entführung endete am 18. Oktober 1977, als die Grenzschutzeinheit GSG 9 in Mogadischu das Flugzeug stürmte und die Geiseln befreite. Die "Landshut" blieb noch bis 1985 in der Lufthansa-Flotte.

Nach der Wende wurden die kleinen Boeings auch am einstigen Standort der früheren DDR-Fluggesellschaft Interflug in Berlin-Schönefeld gewartet. "Die Älteren sind schon traurig. Sie fühlen sich verbunden mit der Technik", erzählt Wartungsmechaniker René Bab. Allerdings soll die Wartung der B 737 laut airliners.de weiter angeboten werden. "Die erste 737 ist Ende der 60er zugelassen worden, es gibt zu heutigen Flugzeugen große Unterschiede in der Steuerung. Früher gingen Seile durch die ganze Maschine, für das Leitwerk und die Steuerungsklappen zum Beispiel. Heute gibt es das nur noch für den Notfall, moderne Maschinen machen das elektrisch und hydraulisch." Boeing setzt dabei weiter auf das Steuerhorn, die Konkurrenzflugzeuge von Airbus haben einen Sidestick, ähnlich einem Joystick.

Pade ist bei aller Wehmut von der wirtschaftlichen Notwendigkeit des Ausstiegs überzeugt: "Natürlich macht es für die Lufthansa Sinn, auf der Kurzstrecke nur ein Muster zu betreiben. Das sind Synergieeffekte, die man realisieren will."

Schneller als die Amerikaner hat es der europäische Konkurrent Airbus verstanden, dass die Fluggesellschaften das technisch nahezu gleiche Flugzeug in verschiedenen Passagierkapazitäten benötigen. Die Lufthanseaten setzen künftig statt der Boeing 737 den Airbus A 320 auf der Kurz- und Mittelstrecke ein. Die A 320-Familie bietet Typen von 100 bis 240 Sitzplätzen an.

Boeing muss sich aber um den Fortbestand der inzwischen ebenfalls stark ausgeweiteten 737-Modellfamilie angesichts eines dicken Auftragpolsters keine Sorgen machen. Bis einschließlich August sind aus der weltweit meistgebauten Flugzeugfamilie 13 536 Maschinen bestellt und 9167 ausgeliefert worden. Ein wichtiger Kunde ist Ryanair, der ausschließlich "Bobbys" modernste Ausführung fliegt. Die neue Boeing 737 MAX absolvierte im Januar ihren Erstflug, die Auslieferung beginnt im 3. Quartal 2017. Und dann gibt es den Jet auch in drei verschiedenen Größen.