Flensburg
Schwacher Juni für den deutschen Automarkt

Hersteller bringen 3,5 Prozent weniger Fahrzeuge auf die Straßen Diesel mit rasanter Talfahrt

04.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:50 Uhr

Flensburg (DK) Der Juni war für die meisten Autobauer hierzulande kein guter Monat. Insgesamt rollten mit 327 693 Personenwagen 3,5 Prozent weniger Autos auf Deutschlands Straßen als im Juni vergangenen Jahres. Dies geht aus den aktuellen Zulassungszahlen hervor, die das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg gestern vorlegte.

Für die ersten sechs Monate des laufenden Jahres weist die Statistik allerdings noch ein Plus von 3,1 Prozent auf knapp 1,8 Millionen Pkw aus.

Unter den großen Herstellern verbuchten im Juni lediglich Fiat (plus 8 Prozent), Renault (21,6) und Seat (18,9) nennenswerte Zuwächse. Volkswagen brachte mit 60 555 Autos 5 Prozent weniger auf die Straßen, die Tochter Audi verbuchte ein Minus von 9,4 Prozent auf 25 153 Wagen, für BMW ging es um 17,8 Prozent auf 22 713 Pkw abwärts, und Mercedes-Benz kam bei 31 394 Neuzulassungen mit einem Minus von 1,2 Prozent davon.

Wie das KBA weiter mitteilte, brachten es die Pkw mit alternativen Antrieben im 1. Halbjahr auf zwei- bis dreistellige Zuwachsraten bei den Neuzulassungen. Dabei legten Hybridfahrzeuge um 81,8 Prozent auf 37 520 und reine Elektroautos um 133,9 Prozent auf 10 189 Einheiten zu. Dabei fährt der US-Hersteller Tesla mit einem Zulassungszuwachs von 143,6 Prozent auf 1895 Fahrzeuge vorneweg.

Dagegen machen sich die Folgen der Diesel-Affäre immer mehr bemerkbar: Die Neuzulassungen von Selbstzündern sackten in den ersten sechs Monaten um 9,1 Prozent ab. Die Neuzulassungen von Benzinern legten dafür um 11,7 Prozent zu.

Kommentar von Carsten Rost: Autobauer im Sturm

Matthias Wissmann, seines Zeichens Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, ist ein Meister des entschiedenen Sowohl-als-Auch. Zwar benennt er durchaus besorgniserregende Entwicklungen in der Branche, doch ist der oberste deutsche Autolobbyist vor allem um die Beruhigung der Öffentlichkeit bemüht – frei nach dem Motto: Wir schaffen das.

Nun ist es allerdings so, dass die deutschen Autobauer nicht zuletzt als Folge der von VW losgetretenen Abgas-Affäre mittlerweile so viel zu schaffen haben, dass einem Wissmanns Optimismus ein wenig weltentrückt vorkommt. „Der Wind wird rauer“, gesteht er zwar ein, doch zwischen den Zeilen lässt er durchblicken, dass die Branche eigentlich schon längst einen schweren Sturm abzuwettern hat.

Beispiele: Während die Diesel-Zulassungen immer mehr in den Sturzflug übergehen, erlebt der Benzin-Motor einen neuen Höhenflug. Das ist langfristig schlecht für die CO2-Bilanz und wegen deshalb absehbarer Strafzahlungen auch katastrophal für die Bilanzen der Autohersteller. Und obwohl die Branche verspricht, dem Diesel mit allerlei Finessen den Stickoxidausstoß weitgehend abgewöhnen zu können, wird es noch mindestens drei Jahre dauern, bis wenigstens die Hälfte der Selbstzünder die Euro-6-Norm tatsächlich erfüllt. Will heißen: Die Fahrverbote kommen rasant näher.

Mag des Weiteren auch sein, dass die Marktanteile deutscher Elektroauto-Anbieter auf dem immer noch recht übersichtlichen heimischen Markt für Stromfahrzeuge zulegen, so spielt doch die Musik eigentlich auf dem Weltmarkt. Und da geben längst chinesische, japanische und amerikanische Anbieter den Ton an. Außerdem mag sich die deutsche Autoindustrie nicht dazu entschließen, in die Fertigung von Batteriezellen einzusteigen – langfristig sicherlich ein strategischer Fehler.

Mag nun auch die Zahl der Beschäftigten bei den deutschen Autobauern und Zulieferern ein Rekordhoch erreicht haben, so wird das – zumindest hierzulande – mit Sicherheit so nicht bleiben. Der Bau von E-Motoren erfordert weitaus weniger Personal als die Fertigung von Verbrennungsmaschinen. Auch die zunehmende Digitalisierung der Fabriken wird Jobs kosten. Und schließlich zwingt der immer schärfere Wettbewerb die Hersteller weiter zur Verlagerung ihrer Fertigung ins kostengünstigere Ausland. Wenn Wissmann also davon spricht, Deutschland müsse wieder an seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, müssen die Beschäftigten der Autoindustrie gewarnt sein.