Detroit
Automesse in Detroit: Audi-Chef Stadler blickt nach vorn

11.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:20 Uhr

Detroit (DK) Der Abgas-Skandal hat den Volkswagen-Konzern in schwere Turbulenzen gebracht. Auf der Auto-Show in Detroit bekräftigt VW-Vorstand Matthias Müller nun den Neuausrichtungswillen des Konzerns – und Audi-Chef-Stadler zeigt mit einer Wasserstoff-Studie, wohin seine Marke in Zukunft steuert.

Die North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit gilt als Jahresauftakt der Autobranche. Und die blickt in den USA gut gelaunt auf das bevorstehende Jahr: Der Benzinpreis ist im Keller, ebenso die Zinsen – und die Konjunkturaussichten sind gut. Beste Voraussetzungen, dass die von Experten für den amerikanischen Automarkt vorhergesagte Absatzsteigerung um 500 000 auf 18 Millionen Einheiten im Jahr 2016 Wirklichkeit werden kann.

Anders bei Volkswagen: Statt mit dem Qualitäts-Siegel „made in Germany“ auf Kundenfang zu gehen, müssen sich die Wolfsburger mit den Folgen des Dieselskandals beschäftigen. Anders als etwa Mercedes und BMW hat VW in den USA den Selbstzünder mit der Clean-Diesel-Kampagne in den Mittelpunkt seiner Modellstrategie gerückt; der Anteil der Volkswagen-Kernmarke am amerikanischen Diesel-Pkw-Markt lag zeitweise bei über 80 Prozent.

Wie schnell der nun verlorene Boden wieder gutgemacht werden kann, hängt also stark davon ab, wann VW eine Lösung für den US-Markt findet. Während in Europa entsprechende Maßnahmen bereits auf dem Tisch liegen, will der Vorstandsvorsitzende Matthias Müller noch in dieser Woche der amerikanischen Umweltbehörde EPA seine Pläne präsentieren. Ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach der Konzern rund 150 000 der 580 000 zurückkauft, wurde von VW-Sprechern zwar dementiert, von Müller als Option aber nicht ausgeschlossen.

Den traditionellen Medienempfang am Vorabend der Messe nutzte der Konzernchef für eine weitere Entschuldigung „für das, was bei Volkswagen falsch gelaufen sei“. Er wisse, dass VW die Kunden in den USA sehr enttäuscht habe, und dankte ihnen zugleich für Ihre Loyalität. Das Jahr 2015 nämlich konnte der Konzern in den USA trotz starker Rückgänge bei den VW-Verkäufen in den letzten Monaten immerhin noch mit einem minimalen Absatzplus auf rund 600 000 Fahrzeuge abschließen, wobei der Zugewinn vor allem auf das Audi-Konto ging. Dem Gesamtmarkt mit zweistelligen Wachstumsraten hinkt der Konzern trotzdem deutlich hinterher.

Müller wiederholte, was VW-Markenchef Herbert Diess bereits auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas und erneut auf der Detroit-Messe betonte: „The new Volkswagen“ werde grundlegend neu ausgerichtet. Die genaue Strategie will Müller im Sommer präsentieren, doch schon jetzt steht fest, dass sich der Konzern eine Digitalisierungsoffensive verordnet hat und bis 2020 zusätzliche 20 Elektro- und Plug-in-Hybrid-Modelle auf den Markt bringt.

Die Neuausrichtung bestätigt auch Audi-Chef Rupert Stadler, der auf eine weitere Entschuldigung verzichtet und den Blick nach vorn richtet: „Bei allen Turbulenzen und Volatilitäten, die wir derzeit auf den Weltmärkten sehen, blicken wir bei Audi positiv in die Zukunft“, bestätigte Stadler gegenüber unserer Zeitung und zeigt mit der Studie H-Tron Quattro Concept, wie die Marke sich diese Zukunft vorstellt. Das SUV-Coupé wird von zwei E-Motoren (vorne und hinten) angetrieben, und gibt so auch einen Ausblick auf die Zukunft einer Kern-Technologie der Marke, den quattro-Allrad-Antrieb. Ihren Strom beziehen die E-Motoren aus einer 110 kW starken Brennstoffzelle; ergänzt wird sie um eine 100-kW-Batterie, die für zusätzlichen Schub sorgt. Das Tanken des benötigten Wasserstoffs soll vier Minuten dauern und circa alle 600 Kilometer nötig sein.

Auf die Straße bringen muss diese Visionen der neue Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch, der bei seinem Amtsantritt vor wenigen Tagen nach eigenen Aussagen „eine hochmotivierte Mannschaft vorgefunden hat“, wie er uns auf der Messe verriet. Sein Team wir sich nun verstärkt auf die Zukunfts-Themen Brennstoffzelle und Konnektivität stürzen. Sollte es Knirsch und seinem Team gelingen, die Ideen schnell in fortschrittliche Fahrzeuge umzusetzen, hätte der Diesel-Skandal auch eine gute Seite gehabt und den Konzern wachgerüttelt. Denn so spannend die Studien sind – auch VW zeigt mit dem Tiguan GTE Active Concept einen weiterentwickelten Hybrid-Antriebsstrang mit elektrischem Allrad-System –, in Serie hat Volkswagen momentan nur wenig Spektakuläres zu bieten.

Das sieht man auch auf der Messe: Audi präsentiert neben der Wasserstoff-Studie den A4 Allroad, der lediglich etwas höher liegt als der normale A4-Kombi und mit robusten Plasteplanken versehen ist und Porsche reicht die überarbeitete Turbo-Version des 911ers nach – rein benzinbetrieben. Mercedes dagegen setzt mit der neuen E-Klasse Maßstäbe in Sachen Bedienkonzept, Vernetzung und Selbstfahren.

Damit wappnet sich Daimler auch gegen neue Konkurrenz in der Paradedisziplin „obere Mittelklasse“: Volvo stellt in Detroit die Limousine S90 vor, die ebenso auf Audi A8, 7er BMW und Mercedes S-Klasse zielt, wie der neue Lincoln Continental. Den wird es zwar bei uns nicht geben, doch in den USA könnte er den deutschen Herstellern ihren derzeit rund 40-prozentigen Anteil am Premiumsegment streitig machen.