Bonn
Betrug mit Phantom-Briefen

Kriminelle machen mit Rabatt-Schwindeleien offenbar etliche Millionen Euro Beute

19.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:11 Uhr

Bonn/Frankfurt (AFP) Ein Netz von Kriminellen soll mit nicht existenten Briefen etliche Millionen Euro erbeutet haben. Die Betrüger rechneten offenbar bei der Deutschen Post in großem Stil Briefe ab, die es nie gegeben hatte.

Ein Unternehmenssprecher bestätigte am Sonntag entsprechende Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Koblenz. Nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" wird der Schaden auf 50 bis 100 Millionen Euro geschätzt. Diese Summe konnte der Post-Sprecher nicht bestätigen.

Der Schwindel funktioniert so: Private Post-Dienstleister erhalten von der Deutschen Post für jeden angelieferten Brief eine Prämie, die bis zu 44 Prozent des Portos beträgt: Je mehr Briefe abgegeben werden, desto mehr Prämie gibt es. Überprüft werde die Zahl nur in Stichproben. "Der Betrug ist kinderleicht", zitierte die Zeitung einen Unternehmer.

Daraus entwickelte sich offenbar ein großangelegtes kriminelles System, mutmaßlich mit Komplizen bei der Deutschen Post. Ein wichtiger Tatort sei das Briefzentrum in Frankfurt. Vor allem samstags, wenn die Kontrolle dort schlecht oder gar nicht besetzt sei, wurden demnach Briefe registriert, die nie eingegangen sind. Die "Samstagsmengen sind zum größten Teil nicht existente Sendungsmengen", zitierte die Zeitung aus den Akten der Ermittler.

In den Akten sei von massenhaft "fingierten" und "nicht existenten Briefen" die Rede. Die Staatsanwaltschaft Koblenz ermittele. Das Landeskriminalamt sei eingeschaltet, die Bundesnetzagentur ebenso. 14 Verdächtige im Alter von 39 bis 58 Jahren würden als Beschuldigte geführt, sagte der Koblenzer Oberstaatsanwalt Rolf Wissen der Zeitung. Drei Beschuldigte sitzen demnach in Untersuchungshaft.

Der Sprecher der Deutschen Post bestätigte auf Anfrage die Ermittlungen, äußerte sich aber mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu Einzelheiten. Zu der geschätzten Schadenssumme von 50 bis 100 Millionen Euro sagte er, seriöse Angaben dazu könnten erst nach Abschluss der Ermittlungen gemacht werden. Die Zeitung hatte sich auf "Schätzungen in der Branche" berufen.

Aufgeflogen sei der Schwindel im Frühjahr durch Zufall, im Zuge von Ermittlungen in einer Steuersache, berichtete die "FAS" weiter. Seither gab es demnach mehrere Razzien, zeitweise lag der Briefverkehr vorübergehend lahm, weil die Deutsche Post wenigstens einmal genau in Briefzentren nachzählen wollte, wie viele Briefe tatsächlich ein- und ausgingen, und nicht nur auf dem Papier. Ab 1. Januar 2018 sollen dem Bericht zufolge deutlich schärfere Regeln in den Briefzentren gelten.