Berlin (DK
Wirtschaft entsetzt über Brexit-Votum

Verbandschefs und Volkswirte erwarten negative Auswirkungen auf den Handel mit Britannien

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

BMW baut den Mini in Großbritannien. Nach dem Brexit-Votum ist weitgehend unklar, wie es mit dem Automobilbau und anderen Aktivitäten der deutschen Wirtschaft auf der Insel weitergehen wird. - Foto: BMW AG

Berlin (DK/dpa/AFP) Katerstimmung in den Chefetagen nach dem Brexit: Die deutsche Wirtschaft ist fassungslos über das Votum der Briten für einen Austritt aus der EU. Die Industrieunternehmen fürchten harte und unmittelbare Folgen für den Handel mit der Insel.

"Der Brexit ist für die deutsche Wirtschaft ein Schlag ins Kontor", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, am Freitagmorgen. Die Exportwirtschaft sprach von einer Katastrophe für Großbritannien, Europa und Deutschland. Der Chef des Außenhandelsverbandes BGA, Anton Börner, sagte, die Briten würden "die Ersten sein, die unter den wirtschaftlichen Folgen leiden werden" (siehe auch Interview).

Nach Einschätzung der Industrie wird der Brexit sich direkt negativ auf die Wirtschaftsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich auswirken. "Wir erwarten in den kommenden Monaten einen deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten. Neue deutsche Direktinvestitionen auf der Insel sind kaum zu erwarten", sagte der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Markus Kerber.

Der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, Matthias Wissmann, mahnte Besonnenheit an: "Nach einem EU-Austritt sollte niemand Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den internationalen Warenverkehr zu verteuern." Der britische Automarkt sei in hohem Maße auf Importe angewiesen.

Kurzfristig ist laut DIHK-Chef Schweitzer zu befürchten, dass der Absatz deutscher Produkte in Großbritannien schwächer wird. Der Handel werde schwieriger: "Großbritannien muss Handelsverträge weltweit, aber auch mit der EU komplett neu aufsetzen."

Führende Volkswirte von Banken und Versicherungen sowie der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest, mahnten an, dass Wirtschaft und Märkte rasch Klarheit bräuchten: "Die Politik muss jetzt alles tun, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen." Der Direktor des arbeitgebernahen IW-Instituts, Michael Hüther, glaubt nicht, dass die Euro-Krise erneut aufbricht.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher rechnet mit enormen wirtschaftlichen Kosten für Europa und erwartet in Deutschland 2017 ein deutlich geringeres Wirtschaftswachstum als zunächst angenommen. Großbritannien könnte in eine Rezession rutschen.

Die deutschen Banken sind zuversichtlich, dass die Aktienmärkte sich rasch von den Schockwellen des Referendums erholen. "Die Lage an den Finanzmärkten dürfte sich nach dem ersten Schock rasch beruhigen", sagte der Präsident des Bankenverbandes, Hans-Walter Peters.

Bauernpräsident Joachim Rukwied verwies darauf, dass Großbritannien für Deutschland auch bei Agrarprodukten und Lebensmitteln ein wichtiger Handelspartner sei. Beide Länder hätten in der Agrarpolitik "gleichgerichtete Vorstellungen".

Als "Schlag ins Kontor und schwarzen Tag" bewertete die bayerische Wirtschaft die Entscheidung der Briten. "Mit dem Brexit wird der europäische Binnenmarkt, Bayerns wichtigster Wirtschaftsraum, deutlich geschwächt", sagte Eberhard Sasse, Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK). Mit dem Brexit verliere Bayern seinen zweitwichtigsten Exportmarkt. 2015 führten bayerische Unternehmen laut BIHK Waren im Wert von 15,5 Milliarden Euro nach Großbritannien aus - 22 Prozent mehr als 2014.

"Das ist ein schwarzer Tag für Europa", sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) zu dem Abstimmungsergebnis. Der Austritt der Briten aus der EU werde negative Folgen sowohl für Europa und Großbritannien als auch für Bayern haben.