Berlin
Viel Kritik, wenig Zustimmung

In der Wirtschaft stößt der Koalitionsvertrag von Union und SPD auf ein geteiltes Echo

07.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:51 Uhr

Berlin (DK/AFP/dpa) Ein Koalitionsvertrag mit "Licht und Schatten": Bei Wirtschaftsverbänden ist die Einigung von Union und SPD gestern auf ein geteiltes Echo gestoßen.

Der Koalitionsvertrag sende "widersprüchliche Signale", erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIHK. Positiv seien die geplanten Investitionen in eine bessere Bildung und Digitalisierung. Ein großer Schwachpunkt sei hingegen der Verzicht auf Steuerentlastungen für Unternehmen - "und das zu einem Zeitpunkt, an dem wichtige Standortkonkurrenten die Steuern senken", kritisierte DIHK-Präsident Eric Schweitzer.

Steuerentlastungen für Unternehmen und Arbeitnehmer wären gut möglich gewesen, sagte der Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK), Eberhard Sasse. Stattdessen "hat sich die Politik auf viele teure Zukunftslasten verständigt". Investitionen würden mit mittelstandsfeindlichen Regelungen gebremst. Positiv seien die geplanten Investitionen in Bildung und Digitalisierung.

Auch die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) sieht im Koalitionsvertrag "viel Umverteilung, viel gegen Wirtschaft". Die Agenda 2010 sei damit obsolet. "Stattdessen kommt jetzt noch mehr Regulierung. Die Fülle der sozialpolitischen Versprechen verhindert nachhaltiges Wachstum und geht zu Lasten künftiger Generationen", sagte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Diese Beschlüsse überdeckten die richtigen Schwerpunkte in Digitalisierung und Bildung, die mit hohem finanziellen Aufwand vorangebracht werden sollten.

"In der Steuerpolitik bleiben die Vereinbarungen weit hinter dem zurück, was notwendig und möglich gewesen wäre", erklärte auch der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer. Zudem hätten Union und SPD in der Sozialpolitik Vereinbarungen getroffen, die den Handwerksbetrieben "höhere Lohnzusatzkosten und regulatorischen Mehraufwand" brächten.

Auch Franz Xaver Peteranderl, Präsident des Bayerischen Handwerkstages (BHT), monierte: "Die Chance auf eine umfassende Steuerreform wurde trotz sprudelnder Steuereinnahmen und guter Konjunktur leichtfertig verspielt." Ebenso bleibe eine Entlastung des lohnintensiven Handwerks bei den Sozialabgaben aus. Positiv wertete Peteranderl aber unter anderem die geplanten Investitionen in Wohnungsbau und Digitalisierung sowie die Absicht der neuen Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für den Fortbestand bewährter Qualitätsstandards einzusetzen.

Nach einem rund 24-stündigen Verhandlungsmarathon hatten sich Union und SPD unter anderem darauf geeinigt, die sachgrundlose Befristung künftig "stark" einzuschränken. Außerdem soll es ein Recht auf befristete Teilzeit geben. Die sachgrundlose Befristung sei "sachgrundlos dem Koalitionsfrieden geopfert" worden, kritisierte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA. Zudem fehle ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. "Der notwendige Neuanfang bleibt aus."

Aus Sicht der Wirtschaft seien die vereinbarten Kompromisse "definitiv schmerzhaft", erklärte der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). "Für diejenigen, die den Staat finanzieren, sind keine Entlastungen in Sicht", kritisierte BGA-Präsident Holger Bingmann. Union und SPD hätten sich auf einen "Schönwetter-Koalitionsvertrag verständigt, der nur aufgeht, wenn der Konjunkturboom anhält und die Verteilungsspielräume weiter wachsen".

"In der Gesamtschau ist die deutsche Industrie mit dem Koalitionsvertrag unzufrieden", erklärte BDI-Präsident Dieter Kempf. Beim Geldausgeben bestehe "eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung".

Aus Sicht der Immobilienwirtschaft birgt der Koalitionsvertrag "Licht und Schatten". Einerseits sei die geplante Neubauoffensive ein "wichtiger Schritt in die richtige Richtung". Die Maßnahmen zur Eigenheimförderung seien aber "verbesserungswürdig". So setze das Baukindergeld für Familien an den Kaufpreisen an. Wichtiger seien aber die Kaufnebenkosten, so der Zentrale Immobilien Ausschuss ZIA.

Der Branchenverband Bitkom lobte indes, für die Digitalpolitik bedeute der Koalitionsvertrag verglichen mit dem Sondierungspapier einen "riesigen Schritt nach vorne". Dort seien Digitalthemen noch an den Rand gedrängt worden. Zu begrüßen sei unter anderem das Vorhaben, bis 2025 flächendeckendes Gigabit-Internet zu schaffen, erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg.

Als "gute Grundlage" bezeichnete der Bundesverband deutscher Banken die Einigung. Bemerkenswert sei, "dass die Politik der Attraktivität des Finanzplatzes Deutschland wieder mehr Aufmerksamkeit schenken wird", so Bankenpräsident Hans-Walter Peters.

Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Wolfgang Weiler, erklärte, es sei "richtig", dass die geplante Koalition am Dreisäulenmodell aus gesetzlicher Rente, betrieblicher sowie privater Altersvorsorge festhalte.