Berlin
Noch immer fehlen Wohnungen

Bauministerin Hendricks sieht trotz "Trendumkehr" die Länder in der Pflicht

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

Berlin (DK/AFP) Deutschland braucht mindestens 350 000 neue und vor allem bezahlbare Wohnungen pro Jahr. Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hat gestern daher vor allem die Bundesländer und Kommunen aufgerufen, sich stärker im Wohnungsbau zu engagieren.

Hendricks (Foto) zog eine positive Bilanz des Bündnisses für bezahlbares Wohnen, in dem seit dem Jahr 2014 alle am Wohnungsbau Beteiligten an einem Tisch sitzen. Dank der "intensiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit" sei eine "Trendumkehr" geschafft worden, erklärte die Ministerin in Berlin. In den vergangenen vier Jahren seien mehr als eine Million neue Wohnungen fertiggestellt worden.

Ergebnis dieses Bündnisses war unter anderem die Wohnungsbauoffensive, die das Kabinett im Frühjahr 2016 beschlossen hatte. Der Bund verspricht damit, Bauland bereitzustellen und Grundstücke abzugeben. Zudem stockte er die Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau auf. Eine neue Baugebietskategorie "Urbanes Gebiet" mit weniger strengen Vorgaben etwa zu Lärmschutz und Bebauungsdichte soll zudem Bauprojekte in Städten erleichtern.

Hendricks forderte, in den kommenden Jahren müssten nun die Länder beim sozialen Wohnungsbau "noch eine Schippe draufpacken". Die Kommunen müssten die Baulandentwicklung mit mehr personellen und finanziellen Ressourcen voranbringen. Die Ministerin lobte, dass es bereits knapp 90 lokale Bündnisse für bezahlbare Wohnungen gibt, die "vielerorts helfen, den Wohnungsbau zu stärken".

Der Deutsche Städtetag hingegen erklärte, geboten sei eine Investitionszulage zum Bau preisgünstiger Mietwohnungen, gegebenenfalls ergänzt um eine steuerliche Sonderabschreibung. Bauwillige müssten einen Zuschuss zum Eigenkapital erhalten, Familien ein Baukindergeld. Der Bund sollte aber nicht mit der Gießkanne fördern, sondern vor allem junge Familien in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt, forderte Städtetags-Vizepräsident Ulrich Maly (SPD).

Denn auf dem Land wird einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) vom Juni zufolge zu viel gebaut, in den Städten hingegen zu wenig. Der Mangel an kleinen Wohnungen ist demnach am gravierendsten. IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer forderte daher in der "Rheinischen Post", vor allem die "Baulandpotenziale" in den Großstädten zu heben.

Im vergangenen Jahr wurden demnach 280 000 Wohnungen neu gebaut, 2015 waren es 248 000 Wohnungen. "Wir brauchen etwa 385 000 Wohnungen pro Jahr, also 100 000 Wohnungen mehr als bisher", sagte der IW-Experte. "Das Grundproblem besteht darin, dass die Baulandpotenziale in den Großstädten nicht gehoben werden."

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes verlangte ebenfalls eine steuerliche Förderung des Mietwohnungsbaus. Zudem müsse der Bund "weiter in der Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau gehalten werden", so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Felix Pakleppa. Auch müssten Standards und Auflagen im Bauwesen auf den Prüfstand gestellt werden.

Foto: von Jutrczenka/dpa