Berlin
Immer mehr Stress in der Arbeit

Vor allem Termindruck nimmt zu Fast jede zweite Neueinstellung ist befristet

06.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:32 Uhr

Berlin (DK) Die Arbeitszeit nimmt ab, doch die Belastung wächst - das hat ein aktueller Bericht des Statistischen Bundesamts ergeben. Ein Ärgernis ist vor allem der wachsende Termindruck. Zudem sind mehr Neueinstellungen nur befristet.

Nahezu die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland fühlt sich von Termindruck und einem hohen Arbeitstempo belastet. Wie das Statistische Bundesamt gestern in Berlin mitteilte, litten 44 Prozent der Männer und 36 Prozent der Frauen im Jahr 2015 unter einer hohen Arbeitsintensität - bundesweit ergab das einen Schnitt von 40 Prozent. Zugleich nimmt die geleistete Arbeitszeit der Voll- und Teilzeitbeschäftigten seit Jahren ab, was maßgeblich am steigenden Anteil der Teilzeitarbeit und sinkenden Arbeitszeiten in diesem Bereich liegt.

Dem Bericht zufolge arbeiteten Arbeitnehmer 2016 durchschnittlich rund 35 Wochenstunden. Das waren etwa drei Stunden weniger als noch 1991 und zwei Stunden weniger als im europäischen Durchschnitt. Vollzeitbeschäftigte arbeiteten in Deutschland mit 41,3 Stunden aber deutlich länger - ähnlich viel wie noch vor 25 Jahren. Das gilt auch für die überlange Arbeitszeit. Rund elf Prozent der Beschäftigten arbeiteten 2016 mehr als 48 Stunden in der Woche.

Insbesondere der hohe Termindruck macht mehr als der Hälfte aller Führungskräfte zu schaffen, so die Wiesbadener Statistiker. Das Problem sei unabhängig von Stellung und Branche: Angestellte in der Anlagen- und Maschinenbedienung sowie im Handwerk leiden ähnlich stark unter einer zu hohen Termindichte.

Die Zahl der befristeten Neuanstellungen nahm 2016 zu, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf Fragen der Grünen-Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke hervorgeht. Demá †nach bekam fast jeder zweite neu eingestellte Arbeitnehmer nur eine befristete Stelle. Der Anteil der Befristungen stieg von 41 Prozent im Jahr 2015 auf 45 Prozent der 3,4 Millionen Neueinstellungen; er nahm im Vergleich zum Vorjahr nicht nur bei Jüngeren, sondern auch bei Arbeitnehmern mittleren und höheren Alters zu. Am stärksten stieg er bei Beschäftigten zwischen 30 und 39 Jahren.

Dass gerade 25- bis 39-Jährige oft nur befristet eingestellt werden, wertete Müller-Gemmeke als "fatal". Das sei gerade das Alter, in dem die Familienplanung eigentlich im Mittelpunkt stehen sollte, sagte sie. "Arbeitsverhältnisse mit Verfallsdatum machen dies aber unmöglich." Die Bundesregierung müsse die sachgrundlose Befristung abschaffen. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) bekräftigte: "Die sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft." Sie schaffe große Unsicherheiten.

Dagegen erklärte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw), Bertram Brossardt: "Der Anteil der Befristungen an allen Beschäftigungsverhältnissen liegt seit Jahren deutlich unter zehn Prozent. 2016 waren es lediglich acht Prozent." Befristungen seien "kein Massenphänomen". Knapp drei Viertel der zunächst befristet Beschäftigten erhielten eine Anschlussbeschäftigung. Die sachgrundlose Befristung erleichtere Unternehmen die Entscheidung, "überhaupt neue Arbeitsplätze zu schaffen", so Brossardt.

Aus der Antwort der Regierung geht nicht geht hervor, wie viele Befristungen auf sachliche Gründe wie die Besetzung einer Stelle während einer Elternzeit zurückgehen. Auszubildende und Minijobber sind bei den Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ohnedies nicht mitgerechnet.