Berlin
"Es geht ums Ganze"

Arbeitsministerin Nahles (SPD) über die geplante Fusion von Thyssenkrupp und Tata

21.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:27 Uhr

Berlin (DK) Die Pläne für eine Stahlfusion von Thyssenkrupp mit Tata sorgen weiter für Zündstoff. Vor allem in der Belegschaft herrscht große Verunsicherung. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) forderte im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion Bestandsgarantien für deutsche Standorte.

Frau Nahles, Thyssenkrupp und das indische Unternehmen Tata wollen sich mit der geplanten Fusion zu Europas zweitgrößtem Stahlkonzern gegen die internationale Konkurrenz und Billiganbieter aus China wappnen. Handelt es sich um den richtigen Weg und eine zukunftsfähige Entscheidung?

Andrea Nahles: Die Arbeitnehmervertreter sind von diesem Weg noch nicht überzeugt, das nehme ich sehr ernst. Klar ist: Es darf kein Zusammengehen um jeden Preis geben. Wir brauchen Bestandsgarantien für die deutschen Standorte und die Beschäftigten. Eine Fusion ist nur sinnvoll, wenn das neue Unternehmen auf Dauer angelegt ist und das Zeug hat, zu einem echten Stahl-Champion zu werden.

 

Der Zusammenschluss könnte Tausende Arbeitsplätze kosten. Ist das der Preis, um den Konzern zukunftsfähig zu machen?

Nahles: Um einen neuen Konzern zukunftsfähig zu machen, braucht man vor allem Geld für Investitionen. Ob dies vorgesehen ist, müssen jetzt die kommenden Gespräche zeigen. Selbstverständlich müssen auch die Arbeitnehmervertreter vollständig in diese Gespräche einbezogen werden. Die Beschäftigten sind das größte Kapital jedes Unternehmens. Betriebsbedingte Kündigungen hat es bei Thyssenkrupp noch nie gegeben - und das muss auch so bleiben.

 

Werden die Stahljobs am Ende nicht so oder so verschwinden?

Nahles: Wie kommen Sie darauf? Stahl wird gebraucht, daran wird sich nichts ändern. Die deutschen Standorte sind profitabel. Die Beschäftigten von Thyssenkrupp haben in den letzten Jahren bereits einen enormen Beitrag geleistet, um die unternehmerischen Fehlentscheidungen der Vergangenheit aufzufangen und die deutschen Standorte profitabel zu halten - dafür dürfen sie jetzt nicht bestraft werden.

 

Welche Folgen hätte eine Verlegung des Konzernsitzes in die Niederlande?

Nahles: Nur wenn der Sitz des neuen Unternehmens in Deutschland liegt, können sich die Beschäftigten weiter auf die Montanmitbestimmung verlassen. Das ist also ein ganz entscheidender Punkt, wenn es darum geht, welche Rechte die Arbeitnehmervertreter haben. Die Montanmitbestimmung stellt sicher, dass Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter gleichberechtigt im Aufsichtsrat vertreten sind. Mit diesem Modell haben wir den Strukturwandel bei Kohle und Stahl in der Vergangenheit gut bewältigt, sie ist und bleibt wesentliche Grundlage des wirtschaftlichen Erfolgs.

 

Für Außenminister Sigmar Gabriel ist der Stahlstandort eine "nationale Frage". Ist das auch Ihre Ansicht?

Nahles: Hier geht es ums Ganze, um den Stahl in Deutschland. Sigmar Gabriel hat sich als Wirtschaftsminister erfolgreich für verbesserte Rahmenbedingungen für die Stahlproduktion in Deutschland eingesetzt. Das muss ein hier ansässiges Unternehmen jetzt auch umsetzen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, es gehe hier um einen Rückzug auf Raten. In den anstehenden Gesprächen muss Thyssenkrupp glaubhaft klarstellen, dass es um ein langfristiges Engagement in Deutschland geht.

 

Das Interview führte Andreas Herholz.