Berlin
"Der Wind wird rauer"

VDA-Präsident Wissmann bedauert "schwerwiegende Fehler" der Autoindustrie in Diesel-Affäre

04.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:50 Uhr

Berlin (DK/dpa/AFP) Zum ersten Mal seit fünf Jahren sind in Deutschland im 1. Halbjahr 2017 weniger Autos gebaut worden. Außerdem sank bei den Neuwagen der Anteil der Autos mit Diesel-Motoren. Alle deutschen Autobauer wollen nun ältere Diesel umrüsten - auch, um Fahrverboten zu entgehen.

Die Autoproduktion im Inland sank in den ersten sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 3 Prozent auf rund 2,95 Millionen Autos, wie der Verband der Automobilindustrie (VDA) gestern in Berlin bekannt gab. Ebenso ging der Export von Autos zurück - und zwar um 2 Prozent auf 2,25 Millionen Fahrzeuge. Beide Werte sanken zum ersten Mal seit fünf Jahren. Der VDA begründete dies damit, dass deutsche Hersteller ihre Autos zunehmend im Ausland bauten. Wurden 2016 von deutschen Autobauern 10,1 Millionen Autos jenseits der Grenzen gebaut, sollen es laut VDA in diesem Jahr bereits 10,4 Millionen werden. Zudem schwäche sich der britische Markt nach dem Brexit-Beschluss bereits ab, was die Ausfuhren beeinträchtigt.

Auch für andere Märkte der Welt erwartet der VDA weniger Wachstum: Für China geht der Verband nach dem Rekordplus von 18 Prozent im vergangenen Jahr nun nur noch von einem Zuwachs um die 2 Prozent aus. Da fast acht von zehn in Deutschland gebauten Autos exportiert werden, sind das schlechte Nachrichten für die deutschen Autobauer. "Der Wind wird rauer", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann.

Gleichzeitig werden hierzulande mehr Autos zugelassen (siehe eigener Bericht). Das Wachstum in den ersten sechs Monaten 2017 ging allerdings fast nur auf das Konto ausländischer Marken: Diese steigerten ihren Anteil um 11 Prozent auf 548 600 Autos, während der Anteil der deutschen Hersteller an den Neuzulassungen bei 1,2 Millionen Einheiten stagnierte. Im Juni gab es zudem für den deutschen Automarkt einen Dämpfer - der Monat hatte diesmal wegen des Pfingstfests zwei Verkaufstage weniger.

Außerdem schlägt sich bei den Neuzulassungen immer mehr die Debatte um den Diesel nieder. Laut KBA lag der Diesel-Anteil bei den Neuzulassungen hierzulande nur noch bei 41,3 Prozent - im 1. Halbjahr 2016 waren es noch 46,9 Prozent. Wissmann sprach in dem Zusammenhang davon, dass "mancherorts schwerwiegende Fehler passiert" seien. Angesichts drohender Fahrverbote kündigte er eine gemeinsame Initiative der deutschen Autobauer an, um die Stickoxid-Emissionen älterer Diesel zu verringern. Sie planten, ein Software-Update für Diesel-Motoren der Abgasnorm Euro 5 anzubieten. "Dann können wir Fahrverbote genereller Natur vermeiden", sagte Wissmann.

Das Update soll Teil eines gemeinsamen Maßnahmenpakets sein, das die Autobauer zum Diesel-Gipfel im Umweltministerium am 2. August vorlegen wollen, wie Wissmann sagte. Wer die Kosten für das Update tragen soll, blieb offen.

Ungeachtet der Diesel-Debatte und anderer Risiken - Brexit, US-Handelspolitik oder politische Instabilitäten etwa in Brasilien - seien die Perspektiven für das Gesamtjahr 2017 "ordentlich", so Wissmann. Er erwarte, dass der deutsche Automarkt mit 3,35 Millionen Neuzulassungen "sein hohes Niveau halten wird". 2016 stand hier noch ein Plus von 4,5 Prozent zu Buche. Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Autobranche ist laut VDA mit 812 000 Menschen die höchste seit 26 Jahren.