Berlin
"Dobrindts Rücktritt ist längst überfällig"

Grüne üben laute Kritik am Verkehrsminister Das Kraftfahrtbundesamt soll Untersuchungsberichte geschönt haben

31.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:42 Uhr

Berlin (DK) "Der gehört entlassen!" Grünen-Verkehrsexperte Oliver Krischer fährt gestern schwere Geschütze gegen Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf. Der CSU-Politiker sei "der Schutzpatron der Trickser und Betrüger", wettert Krischer. Auch für Parteifreund Jürgen Trittin ist klar: "Dobrindt ist der oberste Vertuscher von Dieselgate. Und deshalb muss er zurücktreten." Linken-Verkehrspolitiker Herbert Behrens schießt nach: "Dobrindts Rücktritt ist längst überfällig." Zwei Tage vor dem großen Autogipfel in Berlin, bei dem nach Lösungen für die Diesel-Krise gesucht werden soll, ist der Verkehrsminister massiv unter Druck geraten.

Laut Medienberichten hat das ihm unterstellte Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) Untersuchungsberichte über Abgas-Manipulationen bei Porsche geschönt. In einem Mailverkehr umgarnen KBA-Mitarbeiter Konzernvertreter mit "industriefreundlichen Grüßen", Formulierungen werden entschärft. Dobrindt als Handlanger der Schummler bei Porsche, VW, Daimler und Co.? Hat sich der Minister vor den Karren der Industrie spannen lassen, anstatt aufzuklären und die Gesundheit von Millionen Menschen zu schützen? Ein Ministeriumssprecher wehrt ab: Im Untersuchungsbericht sei Porsche eindeutig der Einsatz einer Abschalteinrichtung vorgeworfen und Gegenmaßnahmen eingefordert worden. Der Austausch zwischen Behörde und Industrie vor der Veröffentlichung von Berichten sei Normalität. Doch reicht das nicht aus, um Dobrindt vom Verdacht zu befreien, er habe die Täter mit Samthandschuhen angefasst.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz wittert die Chance, den CSU-Mann in die Defensive zu treiben: Die Berichte belegten die "absurde Kumpanei" zwischen Dobrindts Kraftfahrt-Bundesamt und der Autoindustrie, beklagt der Herausforderer von Angela Merkel. Es sei "unerträglich", dass die Kanzlerin "tatenlos" zuschaue.

Wahlkampf mit Dieselgate. Politisches Gezänk statt geschlossene Front und Druck auf die Industrie, ihre Fehler zu korrigieren. Was kommt raus beim Umweltgipfel morgen im Bundesverkehrsministerium? Das Angebot der Hersteller, ihre Wagen mit preiswerten Software-Updates sauberer zu machen, reicht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nicht aus, sie pocht auf Hardwareumrüstung, sind die zu kleinen AdBlue-Tanks doch der Kern des Problems, weil sie nicht genug Harnstoff für die Abgas-Reinigung aufnehmen können. Auch die Deutsche Umwelthilfe, die in Stuttgart Fahrverbote für Diesel-Stinker erzwungen hat, erhöhte gestern den Druck, forderte einen verpflichteten Rückruf und Hardwarenachrüstungen für alle Diesel der Abgas-Normen Euro 5 und Euro 6. 13,5 Milliarden Euro müsste die Branche dafür aufwenden, so DUH-Chef Jürgen Resch: "Davon wird niemand überfordert."

Die Industrie im Kreuzfeuer der Kritik - wird Dobrindt es trotzdem versuchen, ihr auf dem Diesel-Gipfel elegant aus der Patsche zu helfen, gar steuerfinanzierte Kaufprämien für saubere Diesel in Aussicht stellen? Alles andere als Verpflichtungen der Hersteller, auf eigene Kosten für saubere Autos zu sorgen und die Grenzwerte einzuhalten, wäre wohl ein Fiasko des Spitzentreffens. Der Druck auf die Branche wird steigen - das ließ plötzlich auch Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer erkennen. Der CSU-Chef zeigte sich nach langem Zögern offen für Sammelklagen geschädigter Autohalter. "Ich bin da nicht abgeneigt, wenn die Autoindustrie so weitermacht", donnerte der bayerische Ministerpräsident.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ärgert sich über den späten Schwenk Seehofers wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Sammelklagen könnten den Geschädigten längst offenstehen, "wenn CDU/CSU sie nicht in der laufenden Legislaturperiode blockiert hätten", sagte Maas. Grünen-Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf Seehofer gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion vor, er sei "völlig unglaubwürdig". Schon vor drei Jahren hätten Sammelklagen eingeführt werden können. "Die Uneinigkeit der großen Koalition und vor allem die Blockade durch Verkehrsminister Dobrindt kostet die 2,5 Millionen Betroffenen nun richtig Geld - denn mit einem Gesetz für Sammelklagen wären die Autobauer schon lange aktiv geworden, um massiven Schadensersatz zu vermeiden", erklärte die Grünen-Spitzenkandidatin. "Es gibt jetzt keine Zeit zu verlieren: Wir laden SPD und CDU/CSU ein, eine gemeinsame Gesetzesänderung im September in den Bundestag einzubringen."