Die Datensicherung dauert an

Am Donnerstag lief Tag zwei der Razzia bei Audi in Ingolstadt – VW kritisiert Staatsanwaltschaft heftig

16.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:29 Uhr
Razzia bei Audi: Im Dutzend packten die Beamten vom Landeskriminalamt die Kartons zur Sicherung von Unterlagen aus. Die Durchsuchung hatte morgens um 7 Uhr begonnen und war am späten Nachmittag immer noch nicht abgeschlossen. −Foto: Horst Richter

Ingolstadt (DK) Die Durchsuchung bei der Audi AG in Ingolstadt wegen des Diesel-Skandals dauerte am Donnerstag weiter an. Offenbar sind die zu sichernden Daten überaus umfangreich. Die Staatsanwaltschaft erklärt jetzt auf Anfrage, weshalb zwischen Bekanntwerden der Vorwürfe und der Razzia so viel Zeit verstrich.

Es kam einem Donnerschlag gleich, als die Ermittler am Mittwoch bereits in aller Frühe in Ingolstadt und an acht weiteren Orten mit Durchsuchungsbeschlüssen anrückten. Justament am Tag der Audi-Jahrespressekonferenz sah sich die Unternehmensleitung mit dem Vorwurf des Betrugs und der strafbaren Werbung konfrontiert.

Das Verfahren läuft zunächst gegen unbekannt. Konkret geht es darum, dass die Ingolstädter Autobauer an Machenschaften beteiligt sein sollen, die zunächst allein Volkswagen angelastet worden waren. Der Skandal hatte in den USA seinen Ausgang genommen. Schummelsoftware habe dafür gesorgt, dass Dieselmotoren in Tests die strengen Normen einhielten, im Alltag aber die Grenzen weit überschritten, lautet der Vorwurf. Schon vergangenen Herbst war der Verdacht aufgekommen, dass die illegale Software möglicherweise komplett bei Audi entwickelt worden war.

Das zu klären, wird sicher viele Monate in Anspruch nehmen. Allein am Mittwoch waren mehr als 100 Kräfte von Polizei und Staatsanwaltschaft teils bis in den Abend hinein damit beschäftigt, eventuelles Beweismaterial zu sammeln. Es dürfte sich überwiegend um den Inhalt von PC-Festplatten handeln. „Die Datensicherung in Ingolstadt läuft noch immer“, teilte Ken Heidenreich von der federführenden Staatsanwaltschaft München II Donnerstagnachmittag mit. Wie lange sie dauern wird, vermochte er nicht genau einzugrenzen.

Derweil hat sich Volkswagen in Wolfsburg überaus kritisch gegenüber den Behörden zu Wort gemeldet. Dort war neben dem Audi-Werk in Neckarsulm ebenfalls durchsucht worden, doch der Grund für die Empörung ist ein anderer: Wie der Donaukurier bereits am Mittwoch exklusiv berichtete, hatte auch die von VW zur Klärung des Skandals beauftragte Anwaltskanzlei Jones Day in München unangemeldeten Besuch von den Ermittlern erhalten. Die Kanzlei war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Am Donnerstag bestätigte VW die Durchsuchung bei Jones Day und attackierte die Ermittlungsbehörde heftig. „Wir halten das Vorgehen der Staatsanwaltschaft München in jeder Hinsicht für inakzeptabel“, erklärte Unternehmenssprecher Eric Felber im Gespräch mit unserer Zeitung. „Die Durchsuchung einer vom Unternehmen beauftragten Rechtsanwaltskanzlei verstößt nach unserer Auffassung klar gegen die in der Strafprozessordnung festgeschriebenen rechtsstaatlichen Grundsätze.“ Das Bundesverfassungsgericht habe dies im Fall einer anderen Kanzlei ausdrücklich hervorgehoben. „Wir werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln hiergegen vorgehen“, teilte Felber weiter mit. Details zum Wie und Wann nannte der VW-Sprecher vorerst nicht.

Am Mittwoch stellten viele Beobachter die Frage, weshalb es so lange gedauert hat, bis die Behörden in der seit eineinhalb Jahren schwelenden Abgas-Affäre endlich tätig wurden. Fakt ist, dass sich die Vorwürfe zunächst allein gegen VW richteten, ausgehend vom US-Markt. Audi war aber bald ebenfalls in den Fokus geraten und hatte am 26. November 2015 Selbstanzeige unter anderem wegen Betrugs bei der Staatsanwaltschaft Ingolstadt gestellt, wie dort zu erfahren war.

„Da es sich aber um Wirtschaftskriminalität handelt, sind wir gar nicht zuständig, das hat der Gesetzgeber so vorgegeben“, sagte der Ingolstädter Behördenleiter Wolfram Herrle. „Wir hatten es für sinnvoll erachtet, den Fall an eine einzige Staatsanwaltschaft abzugeben, statt in Braunschweig wegen VW, in Stuttgart wegen Porsche und in München wegen Audi zu ermitteln.“ Das hätte einen besseren Überblick gebracht. „Braunschweig hat die Sache aber abgelehnt, sie ist daher an die bei Wirtschaftsstrafsachen zuständige Staatsanwaltschaft München II gegangen“, sagte Herrle.

Deren Sprecher Ken Heidenreich erläuterte, warum es dann so lange dauerte. „Es gab ab Dezember 2015 ein Vorermittlungsverfahren. Um weiterzumachen, muss aber zunächst ein konkreter Anfangsverdacht vorliegen“, sagte er. Die Informationen hätten das aber nicht hergegeben, harte Fakten hätten gefehlt. Die Aufsichtsbehörden hätten in puncto Audi keine Ansätze geliefert, und aus US-Kreisen sei wenig Konkretes gekommen. Ein Rechtshilfeersuchen sei erst gar nicht beantwortet worden, hieß es bei der Münchner Behörde.

Das änderte sich erst, als in den USA im Januar eine Klageschrift gegen VW-Manager vorlag, in der auch von schweren Vorwürfen gegen Audi die Rede ist. „Damit hat sich die Informationslage geändert, jetzt lag ein Anfangsverdacht vor“, sagte Ken Heidenreich. Zwei Monate bereiteten die Ermittler die Razzia in Ingolstadt vor – jetzt lief alles glatt, bis auf die unglückliche Wahl des Termins.