Auf zu neuen Ufern

28.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:15 Uhr
Dasneue Audi-Werk in San José Chiapa: In nicht einmal drei Jahren Bauzeit wurde es im mexikanischen Bundesstaat Puebla aus dem Boden gestampft −Foto: Audi

Als vor vier Jahren der Standort für das neue Audi-Werk im mexikanischen San José Chiapa bekannt gegeben wurde - da war die VW-Welt noch eine andere. Es schien unentwegt bergauf zu gehen, Martin Winterkorn strebte als Konzernchef nichts weniger als eine Art Weltherrschaft im Automobilbau an. Dann kam der Abgas-Skandal und Winterkorns scheinbar unendliche Regentschaft wurde jäh beendet.

Der helle Schein des VW-Konzerns verlor deutlich an Strahlkraft, und auch die Ingolstädter Tochter Audi geriet wegen ihrer Rolle bei möglichen Manipulationen immer mehr in den Fokus der Behörden. Trotzdem: Irgendwie muss es weitergehen. Das neue Werk für den Q5 ist fertig - morgen soll es eröffnet werden.

Im VW-Konzern hat es Audi nun zumindest räumlich an die Spitze geschafft: Das Werk in San José Chiapa auf 2400 Metern Höhe ist das am höchsten gelegene im Konzern. In zweieinhalb Stunden Fahrzeit ist der Hafen von Veracruz erreicht, von wo aus die SUVs verschifft werden können. Und weil im gerade einmal 60 Kilometer entfernten Puebla auch VW einen Produktionsstandort hat, haben sich auch die meisten Zulieferer in der Nähe schon eine Dependance aufgebaut. Rund 200 Kilometer westlich, in Toluca, sitzt beispielsweise Bosch. Der Großteil der Motoren für den Q5 wird aus dem VW-Motorenwerk in Silao kommen, das rund 350 Kilometer nordwestlich von Mexiko-City liegt.

Der Region um das 8000-Einwohner-Örtchen San José Chiapa dürfte das Audi-Werk einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung bescheren. Rund 4200 Arbeitsplätze sollen am neuen Standort entstehen. Darüber hinaus dürfte es laut Audi weitere 16 000 Jobs geben - etwa bei Zuliefern oder Branchen, die anderweitig vom neuen Werk profitieren.

Hauptgrund für den Bau eines Werkes im mexikanischen Bundesstaat Puebla ist für Audi die Eroberung des nordamerikanischen Marktes. Weil Mexiko Freihandelsabkommen mit zahlreichen Staaten abgeschlossen hat, lassen unter anderem die so vielversprechenden Absatzmärkte USA und Kanada zollfrei beliefern.

Bei den Autobauern scheint Mexiko derzeit allgemein im Trend zu liegen. Der japanische Hersteller Mazda etwa produziert seit 2014 in Salamanca, Honda nahm im selben Jahr bereits sein zweites mexikanisches Werk in Betrieb - in Celaya. Vor wenigen Wochen dann eröffnete auch der koreanische Autobauer Kia ein Werk in Mexiko - in Pesqueria, etwa 750 Kilometer nördlich des Audi-Werks. Und der Münchner Autobauer BMW legte diesen Sommer den Grundstein für eine 3er-Produktion in San Luis Potosi, die Bänder dort sollen im Jahr 2019 anlaufen.

Natürlich bringt so ein neues Werk auch gewisse Risiken mit sich - rund eine Milliarde Euro hat Audi für den Bau investiert. Aber: Der Diesel-Skandal wird am Image kratzen - und sich im schlimmsten Fall auf dem so wichtigen US-Markt auf die Verkaufszahlen auswirken. Sollte der umgekehrte Fall eintreten und die Verkaufszahlen des Q5 explodieren, wäre das überhaupt kein Problem: Audi hat in San José Chiapa so viel Land gekauft, dass man das Werk "spiegeln", also die Kapazität verdoppeln könnte. Auch noch ein weiteres Modell dort zu bauen wäre wohl ohne Weiteres möglich. Jetzt aber gilt es erst einmal, die Qualität der in Mexiko produzierten Q5 sicherzustellen - weitere Negativschlagzeilen kann der Ingolstädter Autobauer im Moment absolut nicht brauchen.

Als Rafael Moreno Valle, Gouverneur des Bundesstaates Puebla, im November 2012 zu einem Besuch nach Ingolstadt kam, war er von der Sauberkeit und der Disziplin im Ingolstädter Werk beeindruckt. Er versprach damals, es gleichtun zu wollen: "Die Qualität soll in Mexiko genauso sein wie hier in Ingolstadt - das haben wir uns auf die Fahne geschrieben." Und noch etwas hatte der Gouverneur zugesichert - nämlich, sich einen Audi zuzulegen. Wenn die Produktion anlaufe, werde er einen Q5 fahren - "da können Sie sicher sein". Bleibt zu hoffen, dass er seine Versprechen einlösen kann. Zumindest die Sache mit dem eigenen Audi dürfte sich schon auf der Eröffnungsfeier aufklären - falls er dann nicht wie bei der Grundsteinlegung im Jahr 2013 den Luftweg per Helikopter bevorzugt.