Air
Bund sichert Flugbetrieb

16.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

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Air Berlin sieht gute Chancen für Erhalt der Arbeitsplätze - Ryanair reicht Kartellbeschwerde ein

Nach dem Insolvenzantrag von Air Berlin ist Vorstandschef Thomas Winkelmann zuversichtlich, viele der rund 8600 Arbeitsplätze retten zu können. Das kriegen wir hin", sagte Winkelmann. Er nannte den Insolvenzantrag unvermeidbar. "Eine Insolvenz ist immer eine schlechte Nachricht, das ist kein zynisches Spielchen, das wir hier treiben", sagte er. Air Berlin hatte Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt, der Flugbetrieb ist durch den Kredit des Bundes für etwa drei Monate gesichert.

Die Airline schreibt seit Jahren Verluste und hielt sich hauptsächlich durch Finanzspritzen ihres Großaktionärs Etihad noch in der Luft. Am Freitag drehte die nationale Airline der Vereinigten Arabischen Emirate den Berlinern aber den Geldhahn zu. Etihad betonte, das Geschäft von Air Berlin habe sich zuletzt "rapide verschlechtert".

Vorläufiger Sachwalter ist der Rechtsanwalt Lucas Flöther, der zuletzt den insolventen Fahrradhersteller Mifa in Sachsen-Anhalt rettete. "Die Flugpläne bleiben gültig, gebuchte Tickets behalten ihre Gültigkeit, alle Flüge sind weiterhin buchbar", teilte das Unternehmen mit, das täglich rund 80 000 Passagiere befördert.

Die Hilfe der Bundesregierung ist umstritten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte gestern den Übergangskredit in Höhe von 150 Millionen Euro. Sie erwarte nicht, dass am Ende der Steuerzahler dafür aufkommen müsse. "Sonst hätten wir diesen Überbrückungskredit oder Brückenkredit gar nicht geben dürfen." Air Berlin stelle noch Werte dar, etwa über deren Landerechte, die Slots. Zehntausende Reisende im Stich zu lassen, "weil Benzin nicht bezahlt werden kann und die Tickets verfallen, das wäre, glaube ich, nicht angemessen gewesen", sagte sie.

Der irische Billigflieger Ryanair dagegen warf der Bundesregierung, Air Berlin und Lufthansa ein "offensichtliches Komplott" vor. Ryanair reichte beim Bundeskartellamt und bei der EU-Wettbewerbskommission Beschwerden gegen eine mögliche Übernahme durch die Lufthansa ein. "Diese künstlich erzeugte Insolvenz ist offensichtlich aufgesetzt worden, damit Lufthansa eine schuldenfreie Air Berlin übernehmen kann und dies widerspricht sämtlichen Wettbewerbsregeln von Deutschland und der EU", erklärte das Unternehmen. Die Bundeshilfe für Air Berlin ist nach Angaben von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) der EU-Kommission gemeldet worden. Er rechnet damit, dass das Genehmigungsverfahren "ein paar Tage" dauert.

Winkelmann verhandelt mit Lufthansa und weiteren Interessenten über einen Verkauf von Teilen der Airline - zusammen mit dem neuen Generalbevollmächtigten Frank Kebekus. Winkelmann sagte: "Aus heutiger Sicht ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Marke Air Berlin verschwindet." Außer Lufthansa soll Gerüchten zufolge auch Easyjet an Teilen interessiert sein.

Auch Verdi-Chef Frank Bsirske verteidigte den Kredit: "Andernfalls hätte die Fluggesellschaft ihre lukrativen Slots und Landerechte sofort verloren, was die Lage auch aus Sicht der Beschäftigten nur noch verschlimmert hätte", sagte er. Es gebe eine reelle Chance, die einzelnen Unternehmensteile so zu veräußern, dass auch die Steuerzahler das Geld wiedersähen, das der Bund gewährt habe. Aus der Unionsfraktion des Bundestages kam Widerspruch. "Die 150 Millionen Euro werden wir nie wieder sehen", sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs. Einer Civey-Umfrage für den "Spiegel" zufolge kommen die Hilfen auch in der Bevölkerung nicht gut an. Fast 60 Prozent von mehr als 5000 Befragten hätten die Entscheidung negativ bewertet.

Das Insolvenzverfahren für Air Berlin beginnt nach Erwartung des Unternehmens am 1. November. Wie Kebekus sagte, bekommen die Beschäftigten im August, September und Oktober wie gewohnt ihr Gehalt. "Damit sie nicht bis zum November warten müssen, finanzieren wir das Insolvenzgeld mit einer Bank vor."

Nach Einschätzung der Gewerkschaft Verdi hat das Kabinenpersonal gute Aussichten auf neue Jobs. "Für die Kollegen in Kabine und Cockpit sind die Chancen sehr hoch", sagte Vorstandsmitglied Christine Behle. "Schwierig ist die Zukunft für die Verwaltungsmitarbeiter." Die meisten Verwaltungsleute, rund 1200, seien in der Berliner Zentrale beschäftigt.