Ingolstadt
"Eine Eiapopeia-Veranstaltung"

Ferdinand Dudenhöffer im Gespräch

23.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:45 Uhr

Ingolstadt (DK) Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer über den Diesel-Gipfel und das mögliche Auto-Kartell

Herr Dudenhöffer, deutsche Automobilhersteller sollen ein Syndikat gebildet und sich systematisch abgesprochen haben. Das Bundeskartellamt ermittelt. Droht hier einer der größten Skandale in der deutschen Industrie?

Ferdinand Dudenhöffer: Ein solches Kartell ist durchaus denkbar. Es gibt einen dringenden Verdacht. Das Bundeskartellamt müsste jetzt Klarheit schaffen. Schließlich liegen angebliche Selbstanzeigen von Konzernen bereits länger als ein Jahr zurück. Es ist schon ungewöhnlich, dass sich das Kartellamt lange in Schweigen hüllt. Ein Skandal von dieser Dimension würde die deutsche Automobilindustrie bis ins Mark erschüttern.

 

Erfahrungsaustausch unter den Herstellern ist durchaus üblich. Aber hier besteht der Verdacht, dass die Verbraucher systematisch betrogen wurden, der Markt und Preise manipuliert worden sind, oder?

Dudenhöffer: Ja, das wäre dann sicher der Fall. Kartelle hat es in der Wirtschaft immer wieder gegeben. Wenn sich aber dieser Verdacht bestätigt, würde das die Branche ins Wanken bringen. Dann müsste man davon ausgehen, dass die schlechten Abgas-Werte der über Jahre verkauften neuen Diesel-Pkw durch Absprache über die Größe der Ad-Blue-Behälter mit verursacht worden wären. Das würde das Grundvertrauen der Kunden in die Autobauer zerstören. Wer will schon teure Autos von jemandem kaufen, dem er nicht über den Weg traut. Die Autobauer müssten mit langen Umsatzverlusten rechnen. Das ist schlimmer als eine einmalige Kartellstrafe, auch wenn sie im Milliarden-Euro-Bereich liegt.
 

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lädt zum Diesel-Krisen-Gipfel Anfang August. Was erwarten Sie von diesem Treffen?

Dudenhöffer: Der Diesel-Gipfel der Bundesregierung soll als Beruhigungsmittel dienen. Man will nur über die Bundestagswahl kommen. Das wird eine Eiapopeia-Veranstaltung werden. Man wird für die Autofahrer kostenlose Software-Updates vereinbaren. Was angeblich kostenlos ist, könnte von den Autofahrern mit einem hohen Preis bezahlt werden. Jede Software-Änderung hat Nebenwirkung und macht nicht nur gute Luft. Das wäre wirklich zu einfach. Die Nebenwirkungen können höherer Treibstoffverbrauch, kürzere Lebensdauer für die Motoren oder höhere Wartungs- und Reparaturkosten sein. Kostenlose Software-Updates sind also ein Placebo, Augenwischerei. Die Kanzlerin muss bei ihrem Gipfel sagen, was die Nebenwirkungen sind. Alles andere ist gegenüber dem Wähler nicht fair. Wer haftet für spätere Probleme? Die Bundesregierung? Der Diesel-Skandal zeigt, dass die Bundesregierung und die Industrie viel zu eng verflochten sind. Der Parteifreund der Kanzlerin und frühere Verkehrsminister Wissmann ist der Cheflobbyist der Autobauer. Das darf nicht sein. Das führt zu Anhängigkeiten und Problemen, zu löchrigen Gesetzen, deren Konsequenzen letztendlich die Autofahrer bezahlen.

 

Hat die Diesel-Technik im Pkw noch eine Zukunft?

Dudenhöffer: Wir müssen beim Pkw weg vom Diesel. Der Diesel ist keineswegs so klimafreundlich und wichtig, wie immer behauptet wird. Toyota erfüllt alle Anforderungen mit seinen Hybriden ohne Diesel. Und Toyota ist nicht irgendwer. Tesla zeigt, wie man mit Elektroautos in die Zukunft gehen kann, und selbst die Post baut ihre eigenen Elektroautos. Deutschland muss endlich umschalten, sonst verlieren wir den Anschluss an die Welt. Deshalb muss die Bundesregierung schnell die Steuersubvention für Dieselkraftstoff kippen, bei der Elektro-Ladeinfrastruktur Gas geben. Diesel und Ottomotoren müssen bei Kraftstoff und Kfz-Steuer gleich behandelt werden. Das wären echte Gipfelergebnisse.

 

Was bedeutet das womöglich für Schadensersatzforderungen der Aktionäre und der betroffenen Kunden?

Die Erfolgschancen für die VW-Aktionärsklagen wegen zu später Information steigen. Für die betroffenen Besitzer von Dieselfahrzeugen bleibt es schwierig. In Deutschland gibt es anders als in den USA keine strenge Produkthaftung. Einzelne werden das Glück haben, dass ihr Fahrzeug zurückgenommen wird wie in einem Fall bei VW. Insgesamt bleiben durch den Diesel-Skandal aber nur Verlierer übrig. Deshalb müssen wir raus aus dem Merkel-System der Parteifreunde in der Industrie. Wir brauchen unabhängige Politiker, die das Wohl des Volkes im Fokus haben und nicht durch falsches Industrieverständnis ein hohes Risiko von Bruchlandungen erzeugen wie beim Diesel-Skandal. ‹ŒDK

 

Die Fragen stellte

Andreas Herholz. ‹Œ