Sperrzeit beim Arbeitslosengeld - Kein Anspruch auf ALG wegen Kirchenaustritt?

01.01.2011 | Stand 03.12.2020, 1:59 Uhr

„Abkehr vom katholischen Glauben“ – das kann arbeitsrechtlich ein Kündigungsgrund sein. In einem Fall hatte der Kirchenaustritt Sanktionen der Arbeitsagentur zur Folge. Betroffene sollten sich dagegen wehren.

Der Fall: Eine Altenpflegerin beim Caritasverband der Erzdiözese München trat nach 33jähriger Beschäftigung am 15. November 2007 aus der katholische Kirche aus. Daraufhin kündigte ihr der kirchliche Arbeitgeber fristlos. Denn der Kirchenaustritt sei ein kirchenfeindliches Verhalten. Es gefährde die Glaubwürdigkeit der Kirche und die Einrichtung, in der sie tätig war. Das mag manchem schon fragwürdig erscheinen, wird jedoch – weitgehend jedenfalls – von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte gedeckt. So entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in Mainz (Az.: 7 Sa 250/08), dass ein kirchliches Altenheim eine Pflegerin entlassen darf, wenn sie aus der Kirche austritt. Denn für kirchliche Einrichtungen gelten betriebsverfassungsrechtliche Sonderregeln wie für so genannte Tendenzbetriebe, also Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände u.ä.

Der aktuelle bayerische Fall ging weiter: Als sich die bayerische Altenpflegerin nach ihrer Entlassung bei der Arbeitsagentur am 28. November 2007 arbeitslos meldete, verhängte die Behörde erst einmal eine dreimonatige Sperrzeit auf die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I. Schließlich habe sie mit ihrem Kirchenaustritt die Kündigung provoziert. Genauso sah es die Widerspruchsstelle der Münchener Arbeitsagentur, als sich die Betroffene hiergegen wehrte. Erst die 35. Kammer des Münchener Sozialgerichts stoppte die Arbeitsbürokraten. Voraussetzung für eine Sperrzeit sei, dass ein Arbeitsloser seinen Jobverlust grob fahrlässig und vorsätzlich herbeigeführt habe.

Grundgesetz garantiert die negative Religionsfreiheit, also den Kirchenaustritt

Mit ihrem Kirchenaustritt habe die Betroffene ganz einfach ihre im Grundgesetz definierten Rechte genutzt. Dieses schütze die negative Religionsfreiheit. Jeder habe das Recht gläubig zu sein, aber auch das Recht an keinen Gott oder an keine bestimmte Religion zu glauben. Nach Überzeugung der Kammer wäre es verfassungswidrig wenn es einem Arbeitnehmer auferlegt würde, seine innere Überzeugung in Bezug auf die Religion nicht (durch einen Kirchenaustritt) nach außen kundzutun, heißt es in der Urteilsbegründung des Sozialgerichts.
Immerhin hat die Bundesagentur für Arbeit das Urteil akzeptiert. Eigentlich hätte das gar nicht passieren dürfen, kommentiert BA-Sprecher Paul Ebsen den Fall.