Ingolstadt
Es geht ums Ganze

Landtagskandidaten im Porträt: Christian Höbusch will hoch hinaus, beim Klettern und in der Politik

26.08.2013 | Stand 02.12.2020, 23:44 Uhr

Ohne Sport geht es für Christian Höbusch nicht: Mehrmals in der Woche joggt der Ingolstädter um den Baggersee oder geht in der Kletterhalle in die Vertikale. Nur das Skifahren hat er nach einem schweren Unfall aufgegeben. Am 15. September will er für die Grünen in den Landtag einziehen - Foto: Strisch

Ingolstadt (DK) Auf einem Golfplatz würde man Christian Höbusch eher nicht vermuten. Tatsächlich hat der Grüne sogar die Platzreife. Allerdings nur eine tschechische. „Die habe ich dort bereits nach einem Wochenendkurs abgelegt“, erzählt er. Ein Jahr war er danach Mitglied im Golfclub Franzensbad. In Deutschland wird das tschechische Diplom von den Golfclubs zwar nicht anerkannt, aber immerhin könne er jetzt ein Abschlageisen von einem Spaten unterscheiden. Sich auf den Punkt zu konzentrieren, das sei das spannende bei dieser Sportart. Allerdings sei die Golfkarriere eher ein Zukunftsprojekt. „Als Ü60 oder so“, sagt Höbusch.

Bis dahin hat der 44-Jährige noch eine Menge vor. Bei der Landtagswahl am 15. September tritt der Jurist als Direktkandidat der Grünen im Stimmkreis Ingolstadt an. Seit 2008 ist der gebürtige Schanzer Mitglied in der Partei. „Ich wurde damals gefragt, ob ich nicht auf der Kommunalwahlliste kandidieren will und hab mir gedacht: ,Warum nicht’“ Politisch interessiert und engagiert war er schon vorher. In den 1980ern hat er gegen die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf demonstriert. Wie bei vielen seiner Parteikollegen liegt seine politische Grundmotivation in den Anfängen der ökologischen Bewegung. Mit der Geburt seiner Töchter – die jetzt 12 und 14 sind – hat sich das noch einmal verstärkt. „Ich will den beiden und allen anderen eine Welt hinterlassen, die lebenswert ist.“ In Diskussionen mit ihm geht es schnell ums Ganze, Grundsätzliche. Höbusch sagt, er versucht, die Dinge stets auch aus der Meta-Ebene zu betrachten. Aus diesem Blickwinkel heraus entwickelt er konkrete Forderungen: Aus der Region 10 will er eine Region 100 machen und sie vollständig mit erneuerbaren Energien versorgen. Außerdem sollen Ingolstadt und das Umland stärker als regionaler Wirtschaftsraum verstanden werden. Dazu seien nachhaltige Formen des Wirtschaftens nötig. „Formen, die uns wieder unabhängiger machen von globalen Finanzströmen und klassischen Wirtschaftsstrukturen“, schreibt er in seiner Wahlbroschüre. Er könne sich sogar eine alternative Regionalwährung vorstellen, sagt er.

Bei allen politischen Entscheidungen sei die Teilnahme der Bürger wichtig, findet er. Viele Möglichkeiten zur besseren Beteiligung an der Politik bietet dabei das Internet. Höbusch ist viel online. „Ich habe mich lang gegen ein Smartphone gewehrt“, sagt er. „Jetzt genieße ich die Vorteile.“ Höbusch war es, der den eingeschlafenen Landesarbeitskreis der Grünen zu Medien- und Netzpolitik wiederbelebt hat. Er twittert, unterhält einen Blog und ist auf Facebook aktiv. Gerne auch im Zug, wenn er nach München zu seiner Arbeitsstelle als Abteilungsleiter bei der Versicherungskammer Bayern unterwegs ist. Trotz des vielen Unsinns im Internet überwiegen die Vorteile, ist er überzeugt. Im Internet hat er alte Bekannte wiedergefunden, die längst in alle Welt verstreut sind. Über das Netz habe er Anteile an „Fitzelchen von Leben der anderen“, erzählt er. „Dafür liebe ich das Internet.“

Alles in allem sei das Internet einfach ein weiterer Kommunikationskanal. Der solle mit so viel Bedacht bedient werden wie ein Brief oder ein persönliches Gespräch. Respekt ist im wichtig, gegenseitiges Zuhören. Das hängt auch mit seinem Unfall zusammen. Im Januar 2011 stürzte er beim Skifahren bei „extrem hoher Geschwindigkeit“, erzählt er. Höbuschs Brille zersplitterte und verletzte ihn schwer am Auge, schlimmer war eine Hirnblutung, die zeitweise als lebensbedrohlich einzustufen war. „Ich habe eine Lücke von zwei Wochen“, sagt Höbusch. „Aus dieser Zeit kann ich mich an nichts erinnern.“ Mittlerweile ist er wieder vollständig genesen. Ein halbes Jahr konnte er nicht arbeiten. Geblieben sei das Bewusstsein, dass es „zack“ vorbei sein könnte, sagt Höbusch, und schnippt mit dem Finger.

Der Unfall hat ihn verändert. „Dünnhäutiger“ sei er geworden, sagt er und meint damit nicht verletzlicher, sondern sensibler für andere. „Die Wahrnehmung wird nach schweren Schädel-Hirn-Traumata manchmal näher an die Emotion gerückt“, habe ihm ein Arzt erläutert. Beim Versuch, das zu erklären, bedient er sich einer Formulierung, die eigentlich ein Wahlkampfslogan der CSU ist. „Näher am Menschen“, fühle er sich, sagt er und zuckt mit den Schultern. Das alles sei „schwer zu vermitteln“.

Die Skier hat Höbusch nach seinem Unfall verkauft. Nur den Helm hat er behalten. Der hängt an einem Stuhl neben seinem Bett. „Als Erinnerung.“ Auf Sport will der 44-Jährige aber nicht verzichten. Zwei Mal in der Woche geht er laufen, hin und wieder auf die Driving-Range am Golfplatz Friedrichshofen um „einfach mal 50 Bälle rauszuhauen“. Mit seinen Töchtern ist er oft in der Ingolstädter Kletterhalle. Vor einiger Zeit hat er sich dabei das erste Mal von seiner 14-jährigen Tochter sichern lassen, erzählt er. Das Verhältnis zu seinen heranwachsenden Kindern verändere sich derzeit vom „Vater mehr in Richtung Freundschaft“ sagt er. Im Mai war er mit einer Tochter für eine Woche bei seinem Bruder in Kentucky zu Besuch. Nächstes Jahr ist dann die zweite Tochter dran. Am 4. Oktober geht es zum Prinz--Konzert nach München und dann ist da ja möglicherweise noch die neue politische Aufgabe nach der anstehenden Wahl. Die Golfkarriere wird weiter warten müssen.