Rom
"Nicht akzeptabel"

Kardinal Müller kritisiert die Umstände seiner Entlassung durch den Papst

05.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:50 Uhr

Der frühere Regensburger Bischof und bisherige Leiter der Glaubenskongregation im Vatikan, Kardinal Gerhard Ludwig Müller. - Foto: Pizzoli/AFP

Rom (DK) Kardinal Gerhard Ludwig Müller hat die Art seiner Entlassung scharf kritisiert. Im Interview mit der "Passauer Neuen Presse" und dem Donaukurier erklärte er, Papst Franziskus habe ihm am letzten Arbeitstag seiner fünfjährigen Amtszeit als Präfekt der Glaubenskongregation "innerhalb einer Minute seine Entscheidung mitgeteilt", das Mandat nicht zu verlängern. "Diesen Stil kann ich nicht akzeptieren", sagte Müller. Dennoch versicherte er dem Papst seine Loyalität.

Herr Kardinal Müller, gestern früh ist Kardinal Joachim Meisner gestorben. Wir haben erfahren, dass Sie am Abend vor seinem Tod noch mit ihm telefoniert haben. Können Sie über den Inhalt etwas sagen?

Gerhard Ludwig Müller: Ich habe am Dienstagabend gegen halb neun Uhr mit Kardinal Meisner telefoniert. Er sagte mir, dass er sich gesundheitlich gut fühle, zeigte sich aber sehr besorgt über die Situation in der katholischen Kirche - über den Streit, die Diskussionen und Auseinandersetzungen, die der Einheit der Kirche und der Wahrheit im Weg stünden. Besonders war er auch tief betroffen über die Entscheidung von Papst Franziskus, mein Mandat als Präfekt der Glaubenskongregation nicht zu verlängern. Das hat ihn persönlich bewegt und verletzt - und er sah es als einen Schaden für die Kirche an.

 

Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu dem Verstorbenen?

Müller: Ich kann sagen, wir haben ein gutes Verhältnis zueinander gehabt, und ich habe ihn dafür bewundert, dass er den Mut hatte, gegen manche Strömungen des Zeitgeistes seine Stimme zu erheben. Es ist leichter, mit dem Strom zu schwimmen, als für die Wahrheit einzutreten.

 

Der frühere Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, Albert Schmid, mit dem Sie befreundet sind, hat in einem aktuellen BR-Interview die Dialogbereitschaft von Papst Franziskus in Zweifel gezogen. Teilen Sie diese Bedenken?

Müller: In dieser Weise kann ich mich nicht äußern. Ich stelle aber fest, dass am letzten Tag meines Mandates als Präfekt der Glaubenskongregation der Papst mir innerhalb einer Minute seine Entscheidung mitgeteilt hat, dieses Mandat nicht zu verlängern. Es wurden keine Gründe mitgeteilt, wie auch vorher schon nicht bei der Entlassung von drei hochkompetenten Mitarbeitern der Kongregation. Diesen Stil kann ich nicht akzeptieren. Auch als Bischof kann man mit Leuten nicht so umgehen. Ich habe es schon ein paarmal gesagt: Im Umgang mit den Mitarbeitern muss auch hier in Rom die Soziallehre der Kirche gelten.

 

Nach der Nichtverlängerung Ihres Vertrags als Glaubenspräfekt hat der Theologe Wolfgang Beinert von einer "Strafe" durch den Papst gesprochen. Wie kam das bei Ihnen an?

Müller: Ich glaube, dass Professor Beinert mit seinen Äußerungen selbst eine Strafe für die Kirche ist. Es ist nicht besonders anständig, was er da sagt. Strafe gibt es eigentlich für ein Delikt, das jemand begangen hat. Er unterstellt mir also sozusagen, dass ich eine Straftat begangen hätte, die eine Strafe verdient. Wie er sich anmaßt, mir per Unterstellung eine Straftat anzudichten, das ist schon ungeheuerlich und hat mit christlichem Verhalten nichts mehr zu tun.

 

Welche persönlichen Reaktionen haben Sie nach den Ereignissen des vergangenen Wochenendes erhalten?

Müller: Es gibt sehr viele positive Stimmen, die die Entscheidung nicht verstehen können, weil sie auch nicht begründet wurde. Aber natürlich gibt es auf der anderen Seite Leute, die schon immer gegen mich waren: Die zeigen dann ihre schlechten Charaktereigenschaften und reagieren mit Häme, Bosheit und Hass. Die haben sich nicht im Griff.

 

Wie würden Sie Ihr augenblickliches Verhältnis zu Papst Franziskus bezeichnen?

Müller: Er sagt - und ich kann das bestätigen -, dass das Verhältnis persönlich immer sehr gut war. Das gilt auch heute noch. Aber er hat diese Entscheidung getroffen, die steht ihm auch zu. Ich werde darauf nicht mit irgendwelchen Aktionen antworten. Manche denken ja, sie könnten mich vor den Karren einer papstkritischen Bewegung spannen. Ich habe als Kardinal weiterhin die Verantwortung, für die Einheit der Kirche zu sorgen und Polarisierungen so weit wie möglich zu verhindern. Für alle Seiten wichtig ist ein guter Geist des Dialogs, der Geschwisterlichkeit und der Zusammenarbeit.

 

Wie wird Ihr künftiges Leben in Rom aussehen?

Müller: Das ist jetzt alles noch nicht geklärt. Ich bin natürlich weiterhin wissenschaftlich tätig, und als Kardinal der Heiligen Römischen Kirche gehöre ich nach wie vor zum Senat des Papstes. Als Präfekt emeritus der Glaubenskongregation werde ich mich zudem auch künftig der Bestimmung widmen, den Glauben zu fördern und zu verteidigen.

 

Die Fragen stellte Karl Birkenseer.