Peking
Peking lässt Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo frei

Chinesischer Dissident leidet offenbar an Leberkrebs und wird in einem Krankenhaus behandelt

26.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:52 Uhr

Peking (AFP) Liu Xiaobo ist wieder in Freiheit, aber offenbar todkrank: Der chinesische Friedensnobelpreisträger und Dissident wurde wegen einer unheilbaren Krebserkrankung aus dem Gefängnis freigelassen und in ein Krankenhaus gebracht. Nach Angaben seines Anwalts wurde bei dem 61-Jährigen im Mai Leberkrebs festgestellt.

Wenige Tage später kam er aus medizinischen Gründen auf Bewährung frei. Seine Gefängniszelle hat Liu gegen ein Krankenhauszimmer in Shenyang im Nordosten Chinas eingetauscht.

Liu war im Dezember 2009 wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Der Schriftsteller und Menschenrechtsaktivist hatte es gewagt, ein Manifest mitzuverfassen, das demokratische Reformen in China forderte. Die im Dezember 2008 veröffentlichte Charta 08 forderte auch, den Vorwurf der "Subversion" aus dem chinesischen Strafgesetzbuch zu streichen. Genau dieser Anklagepunkt brachte Liu schließlich vor Gericht und ins Gefängnis.

Der prominente Bürgerrechtler hatte schon nach der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Pekinger Tiananmen-Platz mehrfach im Gefängnis gesessen. In der Nacht auf den 4. Juni 1989 versuchte er zusammen mit anderen Intellektuellen, die Sicherheitskräfte zu beschwichtigen. Doch alle Vermittlungsbemühungen halfen nichts: Bei dem Blutbad an demonstrierenden Studenten wurden Hunderte, möglicherweise sogar Tausende Menschen getötet. Liu wurde festgenommen und saß eineinhalb Jahre in Haft. Später verärgerte Liu die chinesische Führung, indem er sich für die Freilassung der Demonstranten vom Tiananmen starkmachte und der Darstellung der Regierung widersprach, es habe sich bei den Kundgebungen um einen konterrevolutionären Aufstand gehandelt. Drei Jahre lang musste er in ein Straflager, von 1996 bis 1999 sollte er dort durch Arbeit "umerzogen" werden.

Wegen seiner Rolle bei den Tiananmen-Protesten wurde dem promovierten Literaturwissenschaftler und Professor schon 1989 die Lehrerlaubnis entzogen. Liu wurde Präsident der chinesischen Sektion des Schriftstellerverbandes Pen und pflegte so Kontakte zu Intellektuellen in aller Welt. Seine Bücher unterliegen in China der Zensur. In Hongkong und im Ausland wurden sie jedoch veröffentlicht - im Prozess von 2009 nutzte die Anklage einige von ihnen als Beweismittel.

Als dem inhaftierten Dissidenten im Oktober 2010 für seinen "langen und gewaltlosen Kampf" für die Menschenrechte in China der Friedensnobelpreis zuerkannt wird, reagierte Peking erbost: Die Auszeichnung eines "Kriminellen" verstoße gegen die "Prinzipien" des Preises. Als bei der Preisverleihung in Oslo demonstrativ ein leerer Stuhl für Liu hingestellt wurde, sprach China von einem "politischen Theater". Auch Lius Frau Liu Xia durfte nicht nach Oslo reisen, sie steht seit der Nobelpreisverleihung unter Hausarrest. ‹ŒFoto: Liu/dpa