Passau
Welche Wirkung "Fake News" haben

Studie: Zwei Drittel der Befragten befürchten, dass gezielte Falschmeldungen die Wahl beeinflussen

20.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:28 Uhr

Passau (DK) Spätestens mit der Präsidentschaftswahl in den USA gerieten "Fake News" in aller Munde. Eigentlich sind gezielte Falschmeldungen, die Menschen verunsichern oder beeinflussen sollen, ein alter Hut - neu war das Ausmaß, in dem gefälschte Nachrichten das Internet und vor allem die sozialen Netzwerke eroberten. In der Öffentlichkeit begannen Diskussionen: Hatten "Fake News" die Wahl entschieden und Donald Trump ins Amt gebracht? Und wenn ja: Könnten gezielte Falschmeldungen auch die Wahlen in Deutschland beeinflussen

Den "Fake News" spürten in den vergangenen Monaten Studenten der Universität Passau nach, angeleitet von Ralf Hohlfeld (Foto), Professor für Kommunikationswissenschaft. Sie befragten online etwa 1000 Menschen, denen sie Fragen und jeweils sechs wahre und sechs gefälschte Nachrichten vorlegten, die in den vergangenen Monaten im Internet kursierten. Die Ergebnisse lassen mit gemischten Gefühlen auf die Bundestagswahl blicken.

Fast zwei Drittel der Befragten nehmen demnach an, dass "Fake News" die Bevölkerung manipulieren können und damit auch die Bundestagswahl beeinflussen. Gleichzeitig glaubt nur eine Minderheit, selbst gezielten Falschmeldungen aufzusitzen. Forscher bezeichnen es als "Third-Person-Effekt", wenn sich Menschen selbst als viel resistenter gegen Manipulation sehen als andere.

In der Praxis zeigte sich allerdings, dass die Teilnehmer die Falschmeldungen seltener bemerkten, als sie es angenommen hatten - im Schnitt erkannten sie nur knapp über die Hälfte der Fälschungen. Nur acht Prozent identifizierten zweifelsfrei alle sechs Falschmeldungen. Auch die Selbstüberschätzung der eigenen Medienkompetenz sei Teil des "Third-Person-Effekts", sagt Hohlfeld.

Eine abgeänderte Stellungnahme beispielsweise, die der Grünen-Politikerin Renate Künast in den Mund gelegt worden war, hielten 35 Prozent der Befragten für glaubwürdig - nur ein Viertel zweifelte die Nachricht an. Frei erfundene Nachrichten erkannten die meisten Teilnehmer allerdings schon. "Das Ergebnis spricht dafür, dass die Wirkung von ,Fake News', die einen wahren Nachrichtenkern nutzen und diesen umdeuten und manipulativ abwandeln, größer ist als bei gänzlich frei erfundenen Meldungen", deutet Ralf Hohlfeld das Ergebnis.

Unabhängig vom Ursprung der gezielten Falschmeldungen stellten die Forscher einen Trend fest: Je älter Menschen sind und je höher ihr Bildungsabschluss ist, desto besser erkennen sie "Fake News". Wer sich politisch bildet und viel im Internet unterwegs ist, dem fallen Falschmitteilungen auch eher auf. Teilnehmer der Studie, die sich grundsätzlich links orientieren, schnitten außerdem besser ab, als bürgerlich-konservative. Die Forschergruppe vermutet: Progressive und links-orientierte Bürger haben eine skeptischere Grundeinstellung.

Die Forscher wiesen noch einen weiteren Effekt nach: Je bekannter Falschmeldungen werden, desto mehr schenken ihnen Menschen Glauben. In den Experimenten ging es so weit, dass Menschen Inhalten eher glaubten, die offensichtlich gefälscht, aber weit verbreitet waren, als solchen, die wahr, aber neu waren.

Dieser sogenannte "Wahrheitseffekt" wird oft dafür verantwortlich gemacht, dass es nicht ausreicht, Falschmeldungen als solche zu brandmarken und richtigzustellen. Der Grund: Die Reichweite von "Fake News" ist wesentlich höher als die der Richtigstellung. "Was erst einmal in der Welt ist, bleibt offenbar auch langfristig und robust dort", sagt Hohlfeld.

Der Kommunikationswissenschaftler sieht zwei Möglichkeiten, den "Fake News" zu begegnen. Gesellschaftlich müsse man die Medienkompetenz schulen, so Hohlfeld. Man könne aber auch technisch aktiv werden: Gezielte Falschmeldungen werden häufig von sogenannten "social bots" befeuert - also Computerprogrammen, die im Internet wie Menschen auftreten, aber Tag und Nacht Kommentare hinterlassen, in denen sie Falschmeldungen verbreiten. Dem könnte man theoretisch Computerprogramme entgegensetzen, die immer und immer wieder die Richtigstellungen verbreiten, so Hohlfeld.

Eins zu eins auf die deutsche Bevölkerung kann man die Studie allerdings nicht beziehen, da die Befragten sich im Internet freiwillig meldeten. Daher spricht die Studie beispielsweise nicht für Menschen ohne Internetanschluss. Die Studie sei vielmehr aussagekräftig für die Internetnutzer in der Region Passau, so Hohlfeld.