London
Im Zeichen der Terror-Angst

Die Briten haben gewählt: Die schottischen Nationalisten könnten Zünglein an der Waage sein

08.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:59 Uhr

Ausgefallenes Wahllokal: In Kingston-Upon-Hull gaben die Wähler in der örtlichen Boxhalle ihre Stimme ab. - Foto: Parnaby/AFP

London (AFP) Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen nach der jüngsten Anschlagsserie haben die Briten gestern ein neues Parlament gewählt. Rund 47 Millionen Bürger des Vereinigten Königreichs waren zu der vorgezogenen Wahl aufgerufen, von der sich die konservative Premierministerin Theresa May einen stärkeren Rückhalt für die bevorstehenden Brexit-Verhandlungen mit der EU erhoffte.

May gab am Morgen in der Ortschaft Sonning westlich der Hauptstadt London gemeinsam mit ihrem Ehemann Philip ihre Stimme ab. Labour-Chef Jeremy Corbyn - ein erbitterter Rivale Mays, wählte in Islington im Norden Londons. "Geben Sie mir Ihre Stimme, um das bestmögliche Abkommen für das Vereinigte Königreich auszuhandeln", sagte die 60-jährige Regierungschefin, die für die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) eine harte Linie angekündigt hatte. Während Theresa May im Wahlkampf auf Reden vor kleinen Gruppen von Anhängern in besonders eng umstrittenen Wahlkreisen gesetzt hatte, zog ihr 68-jähriger Herausforderer Corbyn Reden auf Open-Air-Veranstaltungen vor.

Die Wahllokale öffneten am Morgen um 7 Uhr und waren bis 23 Uhr deutscher Zeit geöffnet. Erst danach sollten erste Nachwahlbefragungen und Hochrechnungen veröffentlicht werden, deren Aussagefähigkeit wegen des Mehrheitswahlrechts womöglich ebenfalls begrenzt sein könnte. Mit belastbaren Ergebnissen kann daher erst im Laufe des heutigen Tages gerechnet werden.

Das Volk wirkt langsam, aber sicher müde ob der vielen Abstimmungen. "Ich habe in niemanden großes Vertrauen", sagte beispielsweise der 41-jährige Simon Bolton bei der Stimmabgabe im Osten Londons. "Die Qualität derjenigen, über die wir entscheiden können, ist sehr überschaubar." Der 25-jährige Angus Ditmas aus dem Londoner Norden sagte, er habe seine Wahlentscheidung "an zwei Fragen festgemacht - ein gutes Brexit-Abkommen und die Sicherheit".

Bei drei Anschlägen in London und Manchester waren in den vergangenen drei Monaten 34 Menschen getötet worden. Mays Tories genießen zwar traditionell in Sicherheitsfragen einen Vertrauensvorschuss in der Bevölkerung. Im Wahlkampf wurde Premierministerin May jedoch angekreidet, dass mit ihrer Mitwirkung als Innenministerin seit 2010 rund 20 000 Stellen bei der Polizei gestrichen worden waren.

Nach einem solchen Gegenwind sah es vor einiger Zeit noch nicht aus. Als May die vorgezogenen Wahlen im April ankündigte, hatten ihre Tories einen satten Vorsprung vor Labour, zuletzt befand sich Corbyns Partei in manchen Umfragen nun knapp hinter den Konservativen, steckte aber in internen Streitereien fest. Die EU-feindliche United Kingdom Independence Party (Ukip), die sich für den EU-Austritt starkgemacht hatte, verlor nach dem Referendum im vergangenen Juni erheblich an Zuspruch. Eine zentrale Rolle kommt im neuen britischen Parlament deshalb womöglich der Schottischen Nationalpartei unter Nicola Sturgeon zu, die derzeit 54 der 59 schottischen Mandate innehat.