London
Die Queen und die Steueroasen

"Paradise Papers" bringen auch die britische Königin in Erklärungsnöte

06.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:15 Uhr

London (DK) Ausgerechnet die Queen. Elizabeth II. (Foto) "investierte Millionen in Offshore-Steueroasen", titelte gestern die "Times" zum Schrecken der Leserschaft. Dass die allseits verehrte Monarchin es für nötig gefunden hatte, ihr Geld außer Landes zu schaffen, war für viele Briten ein Schock. Die Enthüllung wurde im Zuge der Veröffentlichung der "Paradise Papers" bekannt - einem Datenleck von insgesamt 13,4 Millionen Dokumenten, das die Steuersparstrategien der Superreichen dieser Welt aufdeckt.

Zum privaten Besitztum der Queen gehört das Herzogtum Lancaster, das ihr ein jährliches Einkommen von rund 20 Millionen Pfund (22,6 Millionen Euro) verschafft. Es hatte 2004 fünf Millionen Pfund im Steuerparadies Bermuda und ein Jahr später nochmals 7,5 Millionen Dollar in der Steueroase Cayman Islands investiert, wo sich die Vermögensverwalter des Herzogtums in einen Investmentfonds namens "Dover Capital" einkauften. Niemand deutet an, dass die Anlagen illegal gewesen oder dass Steuern hinterzogen worden wären. Aber die Verbindung von Queen und Steueroasen hat zu geharnischten Protesten geführt. Die Labour-Abgeordnete Margaret Hodge kritisierte die royalen Vermögensverwalter: "Man muss sauberer als sauber sein und darf sich niemals dieser schmutzigen Welt von Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerflucht nähern."

Die Queen selbst hat keinen Einfluss darauf, in welche Unternehmen das Herzogtum Lancaster investiert. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die diesbezügliche Entscheidungen treffen, sich der Brisanz bewusst sind, die gewisse Beteiligungen haben können. Zu den eher dubiosen Anlagen von Dover Capital gehörte der Ankauf von "Threshers", einer Kette von Wein- und Spirituosengeschäften, die 2009 mit Millionen an unbezahlten Steuerschulden pleiteging. Noch fragwürdiger war die Akquisition von "BrightHouse". BrightHouse ist eine Kaufhauskette mit rund 300 Geschäften in Großbritannien auf, die sich dubioser Praktiken bedient. Die Aufsichtsbehörde "Financial Conduct Authority" brandmarkte das Unternehmen als einen unverantwortlichen Kreditgeber und ordnete Rückzahlungen in Millionenhöhe an Kunden an.

Die Enthüllungen der "Paradise Papers" haben in Großbritannien wieder die Debatte um die Steuerflucht in ehemalige britische Kolonien angeheizt. Viele Steueroasen - nicht nur die Kanalinseln wie Jersey oder Guernsey, sondern auch ein halbes Dutzend Karibikinseln - sind von Großbritannien abhängige Überseegebiete oder Kronkolonien, die sich für eine diskrete Kapitalflucht und Steuerhinterziehung anbieten. Reiche Anleger wissen die Vorteile eines Offshore-Finanzplatzes zu schätzen - Investoren und Unternehmer bleiben anonym, staatliche Abgaben sind minimal. Für die Londoner Finanzwirtschaft sind diese Steueroasen ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor, arbeiten in der City doch Heerscharen von Anwälten, Finanzberatern und Steuerexperten in der lukrativen Industrie der "Steuervermeidung".

Obwohl britische Premierminister von Gordon Brown über David Cameron bis hin zu Theresa May immer wieder gelobt haben, mit dem Problem der Steueroasen aufzuräumen, ist bisher nicht viel geschehen. Britische Oppositionspolitiker gingen gestern demonstrativ mit der Regierung hart ins Gericht. Die "Paradise Papers", sagte der Labour-Abgeordnete David Lammy, würden zweifelsfrei belegen, dass die Steuervermeidung in industriellem Maßstab weitergehe "und es sind die Ärmsten, die den Preis zahlen". ‹ŒFoto: Leal-Olivas/dpa