Ingolstadt
Der Presserat denkt um

Kontrollgremium ändert Vorgaben für Nennung der Herkunft von Straftätern

24.03.2017 | Stand 02.12.2020, 18:25 Uhr

Ingolstadt (DK) Die Debatte nahm nach den Silvester-Vorfällen von Köln im vergangenen Jahr so richtig Fahrt auf: Sollen die Medien die Nationalität von Straftätern nennen? Die Vorgaben des Deutschen Presserats waren restriktiv: Nennung der Nationalität eines Straftäters nur, wenn es einen "begründbaren Sachbezug" zur Tat gibt, so stand es im Pressekodex, der ethischen Leitlinie für die Presse.

Dieser Konsens ist aber spätestens im Zug der Flüchtlingskrise zerbrochen. Viele Bürger halten die Nationalität eines Täters für wichtig. Sie fühlen sich von den Medien bevormundet, wenn ihnen diese Information vorenthalten wird, und werfen ihnen vor, die Realität zu beschönigen.

Es ist ja auch eine diffizile Frage: Der Presserat wollte mit seiner Vorgabe einst Minderheiten vor Diskriminierung schützen. Anlass der Richtlinie war Anfang der 70er-Jahre die Nennung der Hautfarbe in der Berichterstattung über Straftaten von in Deutschland stationierten US-Soldaten. Aber hat sich diese Absicht nicht in ihr Gegenteil verkehrt, wenn ein Teil der Mediennutzer glaubt, mit dem Verschweigen der Herkunft von Straftätern würden gezielt Ausländer geschützt?

Vergangenes Jahr zeigte sich der Presserat von der Kritik noch unbeeindruckt und lehnte eine Änderung des Pressekodex ab. Diese Woche nun wurde etwas überraschend doch eine Neufassung veröffentlicht. Keine Kehrtwende, wie Presseratssprecher Manfred Plotze versicherte, sondern eine Präzisierung. Statt des "begründbaren Sachbezugs" zur Tat ist nun ein "begründetes öffentliches Interesse" die Voraussetzung dafür, die Herkunft eines Straftäters zu nennen. Viel einfacher macht es das nicht. "Was sind denn die Kriterien dafür? Das ist mir völlig unklar", sagt etwa Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Einige Zeitungen ignorieren längst die - nicht verbindliche - Vorgabe des Presserats. Die "Sächsische Zeitung" in Dresden nennt schon seit vergangenem Sommer in jedem Fall die Herkunft von Straftätern - also auch die von Deutschen.

Manchen Kritikern reicht aber nicht einmal das: Sie wollen auch noch einen möglichen Migrationshintergrund aufgeklärt sehen. Da wird es dann aber wirklich schwierig: Nach wie vielen Generationen wäre ein potenzieller Straftäter denn ein "echter" Deutscher? Spätestens hier zeigt sich, dass es bei der Debatte eben nicht nur um ein Mehr an Information geht, sondern auch um die Bestätigung von Vorurteilen gegen Ausländer. Liegt der Presserat mit seiner Warnung vor der Diskriminierung von Minderheiten also doch richtig?

Eine einfache, klare Linie für die Berichterstattung ist vor diesem Hintergrund kaum noch möglich. Tatsache ist: Die Nationalität von Straftätern wird in der Berichterstattung heute wesentlich öfter genannt als noch vor einigen Jahren. Auch beim DONAUKURIER und seinen Heimatzeitungen wird in jedem Einzelfall wieder neu debattiert, wie mit der Herkunftsnennung von Verdächtigen oder Straftätern umgegangen werden soll: so genau und korrekt wie nötig. Und so wenig diskriminierend wie möglich.