Hannover
Richtungsstreit am linken Rand

Die Linke ringt um ihr Programm für die Bundestagswahl Rot-Rot-Grün wird zum Zankapfel innerhalb der Partei

09.06.2017 | Stand 02.12.2020, 17:58 Uhr

Hannover (DK) Drei Tage Schaulaufen, drei Tage Weichen stellen für die Bundestagswahl: Die Linke hat sich am Freitag zum Auftakt ihres Programmparteitags in Hannover kämpferisch gegeben, will erneut drittstärkste Kraft hinter Union und SPD werden.

Das Delegiertentreffen im Congress Centrum in der niedersächsischen Landeshauptstadt soll zum Aufbruchssignal werden: "Wir zeigen, dass es wenigsten eine Partei in Deutschland gibt, die nicht im neoliberalen Strom mitschwimmt", erklärte Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion.

Doch eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün erscheint im Augenblick kaum realistisch, keine 40 Prozent erreichen die drei Parteien in den Umfragen zusammen. Worauf stellt sich die Linke ein? Der Parteitag wird zu einer Positionsbestimmung. Das Spitzenpersonal: Mit der parteilinken Wagenknecht und dem pragmatischen Dietmar Bartsch wird die Linke von einem ungleichen Duo in den Wahlkampf geführt. Ihrer Nominierung waren heftige Turbulenzen vorausgegangen. Inzwischen läuft das Teamplay auch mit den beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping, die am Freitag die Auftaktrede hielt, und Bernd Riexinger zwar besser. Doch liegt die Führung in vielen Richtungsfragen nicht auf einer Linie.

In Hannover soll das Wahlprogramm dennoch weitgehend beschlossen werden. Darin finden sich die Brot-und-Butter-Themen der Genossen. Mit dem Ruf nach einem Mindestlohn von zwölf Euro, einer Rückkehr zur Rente mit 65, einer Grundsicherung von 1050 Euro und massiven Steuererhöhungen für Spitzenverdiener will die Partei im Bundestagswahlkampf 2017 punkten, gibt sich beim Oberthema soziale Gerechtigkeit als das Original. Außerdem fordern die Genossen laut Entwurf einen Stopp aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Alles Positionen, bei denen die Partei nachgeben müsste, um eine Regierungsbeteiligung zu erreichen.

Das Problem liegt im Westen: In den neuen Bundesländern ist die Linke Volkspartei, in den alten Ländern tut sie sich schwer, scheiterte in Schleswig-Holstein und NRW sogar an der Fünf-Prozent-Hürde. Doch sieht die Parteiführung zumindest in den westdeutschen Ballungsräumen und Universitätsstädten Hoffnungsschimmer. Dort würden sich zunehmend junge Menschen der Partei zuwenden. Dennoch wachsen die Bäume für die Linke nicht in den Himmel. Im jüngsten ARD-"Deutschlandtrend" kommen sie auf acht Prozent.

Auch der Einfluss der alten Strippenzieher ist ein Streitthema in der Partei. Gregor Gysi meldet sich eineinhalb Jahre nach seinem Rückzug als Fraktionschef im Bundestag weiter zu Wort. Vor dem Parteitag nutzte er die Gelegenheit, von seinen Genossen den Willen zum Regieren einzufordern. "Ich bin dafür, dass wir das anbieten, weil wir ja eine alternative Politik wollen", sagte er. Während Rot-Rot-Grün Gysis Traum bleibt, hält Oskar Lafontaine davon nichts. In Hannover ist er aber nicht dabei.