Hamburg
Merkels Problem-Gipfel

Kanzlerin spricht vor G 20-Treffen in Hamburg mit US-Präsident Trump Streitpunkte bleiben

06.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:49 Uhr

Foto: DK

Hamburg (DK) Donald Trump kommt fünf Minuten zu spät. Um 18.05 Uhr schütteln sich der US-Präsident und Kanzlerin Angela Merkel vor dem Nobelhotel "Atlantic" die Hand, der womöglich entscheidende Gipfel vor dem Gipfel am Vorabend des G 20-Treffens hat begonnen: Shake Hands und freundliches Lächeln, die Atmosphäre demonstrativ locker. Gut eine Stunde lang ziehen sich die mächtigsten Politiker der Welt in Hamburgs gute Stube zurück, sprechen über den Klimaschutz und den Welthandel. Auch außenpolitische Brennpunkte kommen zur Sprache wie Nordkorea, die Lage im Mittleren Osten und der Konflikt in der Ost-Ukraine, heißt es später.

Ist es der Kanzlerin gelungen, im direkten Gespräch mit Trump ihre G 20-Agenda zu retten, aus dem Problem-Gipfel noch einen Erfolg zu machen, den US-Präsidenten davon abzubringen, in Hamburg den Raufbold zu geben? Das bleibt zunächst offen.

Am Nachmittag war Trump mit seiner "Air Force One" am Helmut-Schmidt-Flughafen gelandet - das war der Startschuss für die heiße Phase, bevor der eigentliche G 20-Gipfel heute früh mit den Arbeitssitzungen beginnt. Merkel gab schon mal ihr Ziel vor: "Jetzt wollen wir mal gucken, was wir zusammen hinbekommen. Ich glaube, dass Globalisierung so gestaltet werden kann, dass es eine Win-win-Situation ist", stellte sie sich gegen Trumps Protektionismus. "Es muss nicht immer da, wo es Gewinner gibt, Verlierer geben. Das ist das Motiv, was mich leitet."

Die Hoffnung auf ein geschlossenes Bekenntnis zu Klimaschutz und Freihandel in der Gipfelerklärung tendierte in Delegationskreisen aber gegen Null. Und China machte klar, dass man eine 19:1-Erklärung zum Klimaschutz ohne die USA nicht mittragen wolle. Trump in die Schmuddelecke zu schieben - das Risiko will Peking nicht eingehen, braucht man den US-Präsidenten doch dringend, um die Nordkorea-Krise einzudämmen. Auch die Kanzlerin will am Einigkeitsprinzip der G 20 nicht rütteln, das Format nicht sprengen.

Der Kampf gegen den Terror, Welthandel, Klimaschutz, Afrika und Migration stehen auf der Tagesordnung, bis es am Nachmittag gemeinsam zur Elbphilharmonie geht. Mit größter Spannung wird heute aber das erste Treffen Trumps mit Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet. Gibt es Fortschritte im Syrien-Konflikt? Wie steht es um die Chemie zwischen den beiden Staatsmännern? Noch vor seiner Ankunft in Hamburg hatte Trump gegen den Kreml-Chef und Russlands "destabilisierendes Verhalten" gepoltert, das er nicht länger hinnehmen werde. Starker Tobak kaum 24 Stunden vor dem ersten direkten Aufeinandertreffen der beiden Präsidenten am Rande des Gipfels. Es bestärkte die Befürchtung, Trump könne das G 20-Treffen doch noch zum Krawall-Gipfel machen.

Auch auf den Straßen tobt der wütende Protest gegen die Globalisierung. "Welcome to hell", "Willkommen in der Hölle", lautet das Motto der Anti-G 20-Demonstration, die am Nachmittag am Hamburger Fischmarkt startet. Unter die rund 12 000 Demonstranten hatten sich auch 1000 Vermummte gemischt. Am Abend stoppt die Polizei den Zug mit Wasserwerfern, hindert die G 20-Gegner, weiter Richtung Messehallen zu ziehen.

Die Hamburger Innenstadt hat sich in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt. Hubschrauber lärmen über dem Gipfelgelände, gepanzerte Fahrzeuge rollen durch die abgesperrten Straßen. "Ich weiß, dass wir den Hamburgerinnen und Hamburgern einiges zumuten", sagt die Kanzlerin und dankt den Sicherheitskräften.

Ist das G 20-Format womöglich überholt? Ist es nicht mehr möglich, den Kreis der Staatenlenker der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer zusammenzubringen, um die Welt wenigstens ein bisschen gerechter und besser zu machen? So sehen es SPD-Chef Martin Schulz und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD), die die große G 20-Reform einfordern. Sie präsentieren ein Papier, um den Prozess "vom Kopf auf die Füße" zu stellen, wie es Gabriel formuliert. Und das heißt: Schluss mit dem jährlichen Wanderzirkus, der Millionen Euro verschlingt, stattdessen Ausrichtung der Treffen am Sitz der Vereinten Nationen in New York unter Einbeziehung auch der ärmeren Staaten. "Wir brauchen nicht weniger als eine Renaissance des Multilateralismus mit den Vereinten Nationen als Mittelpunkt!", verlangt Schulz.

Mehr als ein frommer Wunsch ist das nicht, angesichts der knallharten Rivalitäten zwischen Trump, Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping und anderen Akteuren. Mit der Ankündigung, Polen mit "Patriot"-Raketen zur Abwehr gegen etwaige russische Angriffe auszurüsten, hatte Trump Putin bei seinem Besuch in Warschau heftig vor den Kopf gestoßen. Eiszeit statt Einvernehmen, schlechte Vorzeichen, um in Hamburg auch nur minimale Fortschritte zu machen.