Große
"Ich warne vor Aktionismus"

27.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg fordert Schulungen für die Crews. - Foto: oh

Luftfahrtexperte Cord Schellenberg über die Lehren aus dem Absturz.

Große deutsche Fluggesellschaften ziehen Konsequenzen aus dem Absturz der Germanwings-Maschine: Bedeutet die Entscheidung für das Vier-Augen-Prinzip im Cockpit wirklich mehr Sicherheit?
 
Cord Schellenberg: Die Fluggesellschaften handeln jetzt, obwohl die Katastrophe noch nicht einmal umfassend untersucht worden ist. Wichtig ist aber, dass es konkrete Handlungsanweisungen und Schulungen für die Crew gibt. Die Besatzungen müssen genau wissen, was sie zu tun haben, wenn der Pilot oder der erste Offizier sich einmal kurz aus dem Cockpit verabschieden. Der Fall der Germanwings-Maschine zeigt, dass der durch einen Piloten absichtlich herbeigeführte Absturz eines Flugzeugs kein abstraktes Szenario ist. Es muss jetzt genau erklärt werden, was Crewmitglieder im Fall der Fälle tun dürfen.

 

Der Co-Pilot litt offenbar zumindest zeitweise an Depressionen und flog am Tag der Katastrophe laut Staatsanwaltschaft trotz Krankschreibung. Müssen körperliche und seelische Gesundheit von Piloten häufiger untersucht werden?

Schellenberg: Im konkreten Fall gab es offenbar eine Krankschreibung, von der Germanwings nichts erfahren hat. Es ist ein schweres Vergehen, so etwas dem Arbeitgeber zu verheimlichen. Es ist auch möglich, den Fliegerarzt in die Irre zu führen und über den eigenen Gesundheitszustand zu täuschen. Wir müssen jetzt die komplette Untersuchung des Falls abwarten. Erst dann können die notwendigen Konsequenzen gezogen werden – auch mit Blick auf die Untersuchungen und die Lizenzen von Piloten. Es ist ja nicht so, dass sie bisher nicht zum Arzt müssten. Sie werden bis zum Alter von 59 Jahren einmal im Jahr vom spezialisierten Fliegerarzt umfassend getestet, danach jedes halbe Jahr. Es ist schwer, den zu allem entschlossenen Einzeltäter zu stoppen, der mit niemandem spricht, der verheimlicht und sich verstellt.

 

Die Cockpit-Tür kann als Konsequenz aus den Attentaten vom 11. September 2001 von innen verriegelt werden. Sollte das auch in Zukunft so bleiben?

Schellenberg: Ich kann vor Aktionismus nur warnen. Es darf nichts getan werden, was Attentätern den Zugang wieder erleichtert. Das Cockpit sollte auch in Zukunft nur von Personen betreten werden, die da auch hingehören.

 

Das Gespräch führte

Rasmus Buchsteiner, DK.