Prag
Der "tschechische Trump"

Andrej Babis dominiert mit seiner Protestpartei die Parlamentswahlen in Tschechien

22.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Prag (AFP) Das "Ja" wird bei Andrej Babis groß geschrieben - zumindest im Namenskürzel seiner Partei ANO, die klarer Sieger der tschechischen Parlamentswahl ist. "Ano" bedeutet auf Tschechisch "Ja". Doch eigentlich steht die Abkürzung für Aktion unzufriedener Bürger - und somit eher für Nein. Kopf der Bewegung ist der 63-jährige Milliardär. Und der sagt zu vielem Nein: zu Flüchtlingen, zum Euro und mehr.

Sein Programm ist vor allem eins: Babis selbst. Das wird schon in dem vom Magazin "Forbes" verliehenen Spitznamen "tschechischer Trump" deutlich, der zum einen von seinem immensen Vermögen herrührt. "Forbes" schätzt es auf rund 3,5 Milliarden Euro. Damit ist Babis zweitreichste Mann Tschechiens sogar reicher als US-Präsident Donald Trump mit umgerechnet 2,6 Milliarden Euro Vermögen. Zum anderen bedient Babis wie das US-Original gezielt die Ängste und die Wut derer, die sich gesellschaftlich abgehängt sehen.

Immer wieder hämmerte er den Wählern vor dem Urnengang am Freitag und Samstag ein, dass es um alles gehe. "Jetzt oder nie" sei die Gelegenheit, die Korruption loszuwerden, sie müssten ihn nur zum Regierungschef wählen. Dass er selbst des Subventionsbetrugs beschuldigt wird, scheint ihn dabei nicht zu stören. Dem Unternehmer und Ex-Finanzminister wird unter anderem vorgeworfen, unrechtmäßig EU-Fördermittel in Höhe von zwei Millionen Euro bezogen zu haben. Wegen des Verdachts verlor Babis im Mai sein Amt als Finanzminister und im September seine parlamentarische Immunität. Der Ex-Chef des Lebensmittel-, Chemie- und Medienkonzerns Agrofert bestreitet die Vorwürfe und bezeichnete sie als Versuche, ihm den Wahlsieg zu nehmen. Die Wähler schienen davon ebenso unbeeindruckt wie von Vorwürfen, Babis habe vor 1989 mit der kommunistischen Geheimpolizei zusammengearbeitet. Seine ANO-Partei kam auf fast 30 Prozent.

In seiner Siegesrede versuchte er am Samstag zwar, Sorgen im Ausland zu zerstreuen. Er bezeichnete sich als "pro-europäisch" und stelle keine "Bedrohung für die Demokratie" dar. Einen "Czexit" - in Anlehnung an den Brexit Londons - will Babis ausdrücklich nicht. Doch die Unzufriedenheit im Land heizt er dennoch gezielt an. Die EU habe derzeit eine "Denkpause" nötig, sagte er. Zuvor hatte er bereits angekündigt, mit ihm werde es keinen Euro-Beitritt Tschechiens geben. Er werde für eine "faire" EU sorgen, in der "niemand Mitglied zweiter Klasse" sei. Babis' Rhetorik erinnert an EU- und flüchtlingskritische Töne aus Ländern wie Polen und Ungarn.

Tschechiens Wirtschaft hat sich zuletzt gut entwickelt. Die Arbeitslosenquote liegt bei nur 3,8 Prozent (September) und das Wirtschaftswachstum dürfte auf 3,1 Prozent klettern. Vor allem die Autoindustrie und Exporte in die EU tragen dazu bei. Keiner schlägt daraus so Kapital wie Babis, der sich wie Trump als Macher geriert.

Babis wurde 1954 in Bratislava, der Hauptstadt der heutigen Slowakei, geboren. Zur Grundschule ging Babis in Paris und auf die weiterführende Schule in Genf, bevor er einen Wirtschaftsabschluss an der Universität machte. Er ist Gründer eines Firmenimperiums, das bedeutende Tageszeitungen und den meistgehörten Privatradiosender "Impuls" umfasst. Kritiker warnen daher vor einer nie da gewesenen Konzentration medialer, politischer und wirtschaftlicher Macht. Sie sehen Parallelen zum italienischen Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Der Politologe Jiri Pehe sieht in Babis keinen Nationalisten vom Schlag eines Jaroslaw Kaczynski in Polen oder eines Viktor Orban in Ungarn. Babis habe keine festen Überzeugungen oder Ideen, sondern wolle seinen eigenen Reichtum mehren, sagte Pehe. "Er ist ein typischer egozentrischer Oligarch mit einem leichten Sendungsbewusstsein - darin ähnelt er mehr Trump oder Berlusconi."