Brüssel
Streit über EU-Flüchtlingsmission im Mittelmeer

Italien boykottiert Verlängerung des Mandats für Marine-Einsatz vor der libyschen Küste

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

Brüssel (AFP) Angesichts der hohen Ankunftszahlen in Italien streitet die EU über die Rettung von Bootsflüchtlingen vor Libyen. Italien blockierte beim Treffen der EU-Außenminister gestern die Verlängerung des Mandats der EU-Marine-Mission "Sophia". Einigen konnten sich die Minister auf Exportbeschränkungen für Schlauchboote und Außenbordmotoren nach Libyen, um Schlepperbanden das Geschäft zu erschweren. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte in Brüssel, "die Mittelmeerroute zu schließen".

Libyen ist Hauptausgangspunkt für Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Italien gelangen. Seit Jahresbeginn kamen dort bereits mehr als 93 000 Menschen an. Rom sieht sich inzwischen an der Kapazitätsgrenze und fordert unter anderem, dass andere EU-Länder ihre Häfen für Flüchtlingsboote öffnen.

Aus Protest gegen die fehlende EU-Unterstützung blockierte Italien die eigentlich für gestern vorgesehene Verlängerung der EU-Marine-Mission "Sophia". Diese bildet Rekruten der libyschen Küstenwache aus, geht gegen Waffenschmuggler und Schleuserbanden vor und rettet Flüchtlinge aus Seenot. Die EU werde "in Kürze über die Erneuerung der Operation ,Sophia' entscheiden", hieß es nun lediglich im Abschlussdokument des Außenministertreffens. Das aktuelle Mandat läuft noch bis zum 27. Juli. Geplant war eine Verlängerung bis Ende 2018.

Der belgische Außenminister Didier Reynders forderte Änderungen an dem Mandat. Er verlangte, dass die "Sophia"-Schiffe künftig auch in libyschen Gewässern gegen die Schlepper vorgehen. Der Einsatz direkt vor Libyens Küste war ursprünglich vorgesehen, wurde aber wegen der unsicheren Lage in dem weitgehend von bewaffneten Milizen beherrschten Land nicht weiterverfolgt.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte, "die Mittelmeerroute zu schließen". Gerettete Flüchtlinge dürften nicht mehr nach Italien gebracht werden, wie das "Sophia" bisher tut. "Die Rettung im Mittelmeer darf nicht verbunden werden mit dem Ticket nach Mitteleuropa." Sonst machten sich immer mehr Menschen auf den Weg. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn warnte seinerseits davor, gerettete Flüchtlinge nach Libyen zurückzubringen, solange sich die Zustände in den dortigen Lagern nicht verbesserten. "Das sind zum Teil Konzentrationslager", sagte er. Die EU müsse "finanziell viel tiefer in die Tasche greifen", um den UN zu helfen, Lager nach internationalen Standards zu errichten.

Konkretestes Ergebnis blieben gestern die Exportbeschränkungen für Schlauchboote und Außenbordmotoren nach Libyen. Mit der Entscheidung bekämen Mitgliedstaaten eine rechtliche Grundlage, um die Ausfuhr dieser Produkte in das nordafrikanische Land zu verhindern, erklärte der EU-Rat. Die meisten Schlauchboote werden in China hergestellt, europäische Zwischenhändler exportieren sie teils weiter.

Die EU drohte auch Schleusern, die für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, mit Sanktionen wie Einreiseverboten oder dem Einfrieren von Vermögen in der EU. Konkret beschlossen wurde aber nichts.