Brüssel
Bundesregierung erhöht Druck auf Polen und Ungarn

EU-Fördermittel sollen künftig an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien geknüpft werden Doch der Vorstoß dürfte für Streit sorgen

15.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:12 Uhr

Brüssel (AFP) Mit 50 Milliarden Euro pro Jahr fördert die EU die weniger entwickelten Regionen. Mit dem EU-Austritt Großbritanniens stehen Kürzungen in der sogenannten Kohäsionspolitik an. Mit Blick auf "Demokratiesünder" wie Polen und Ungarn forderte Deutschland gestern beim Treffen der Europaminister, die Auszahlungen künftig an rechtsstaatliche Prinzipien zu knüpfen.

Der EU dürfte damit ein heftiger Streit bevorstehen.

 

Wieviel Geld steht zur Verfügung?

Die Mittel für die Kohäsionspolitik werden für die siebenjährige EU-Haushaltsperiode festgelegt. Von 2014 bis 2020 stehen insgesamt 351,8 Milliarden Euro zur Verfügung. Wichtigste Bestandteile sind der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Europäische Sozialfonds und der Kohäsionsfonds.

 

Wofür können die Mittel eingesetzt werden?

Der Regionalfonds stellt Mittel für Investitionen in wachstumsfördernde Bereiche bereit, der Sozialfonds unterstützt Beschäftigung und Bildungsmöglichkeiten. Und der Kohäsionsfonds fördert Projekte für Umwelt, nachhaltige Energieversorgung sowie die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur.
 

Wer kann Mittel bekommen?

Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich alle Regionen und Länder, der Großteil ist aber für weniger entwickelte Gebiete bestimmt. Je nach Entwicklungsstand müssten Antragssteller über die sogenannte Kofinanzierung 15 bis 50 Prozent der Mittel selbst aufbringen.

 

Welche Folgen hat der Brexit für die Kohäsionspolitik?

Mit dem EU-Austritt Londons fällt der zweitgrößte Nettozahler in der EU weg, was ein großes Loch in den europäischen Haushalt reißt. So zahlte Großbritannien 2015 rund 11,5 Milliarden Euro mehr in das EU-Budget ein als es zurückbekam. Wollen Nettozahler wie Deutschland nicht deutlich mehr für das EU-Budget beisteuern, bedeutet der Brexit auch in der Kohäsionspolitik deutliche Kürzungen.

 

Wer bekommt am meisten?

Nicht alle Bereiche der Kohäsionspolitik stellen Gelder für bestimmte Länder bereit. Vorgesehen ist das beim Kohäsionsfonds, der ein Gesamtvolumen von 63,4 Milliarden Euro hat. Hauptprofiteur ist hier Polen mit 23,2 Milliarden Euro. Es folgen Rumänien (6,9 Milliarden Euro), Tschechien (6,3 Milliarden Euro) und Ungarn (6 Milliarden Euro).
 

Warum soll die Rechtsstaatlichkeit ein Kriterium werden?

Die EU liegt seit Jahren mit Polen und Ungarn im Clinch, weil deren Regierungen aus Sicht Brüssels gegen wichtige demokratische Grundprinzipien verstoßen. So läuft gegen Polen wegen der Beschneidung der Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts ein Verfahren zur Rechtsstaatlichkeit. Gegen Ungarn leitete die EU-Kommission Vertragsverletzungsverfahren wegen umstrittenen Gesetzen zu aus dem Ausland finanzierten Hochschulen und Nichtregierungsorganisationen ein. Doch Warschau und Budapest zeigen sich bisher unbeeindruckt.
 

Wie geht es nun weiter?

Die EU-Kommission legt im kommenden Frühjahr einen Bericht zur Zukunft der Kohäsionspolitik vor. Entscheidungen müssen dann in den ohnehin komplizierten Beratungen über den nächsten siebenjährigen EU-Finanzrahmen von 2021 bis 2027 getroffen werden. Problem ist, dass Haushaltsvereinbarungen zwar in Teilbereichen von den Mitgliedstaaten per Mehrheitsbeschluss getroffen werden können. Die Grundausrichtung müssen die Regierungen aber einstimmig festlegen. Damit haben Polen und Ungarn einen Hebel, die Verhandlungen zu blockieren.