Berlin
Vollbeschäftigung als Ziel

Merkel macht Arbeitslosigkeit zum Wahlkampfthema und Nahles kontert

14.08.2017 | Stand 02.12.2020, 17:38 Uhr

Berlin (DK) Vollbeschäftigung in Deutschland bis 2025 - dieses Ziel schreiben sich CDU und CSU im Bundestagswahlkampf auf ihre Fahnen. Und darüber ist jetzt ein Streit entbrannt. Um Vollbeschäftigung zu erreichen, sei es nötig, "die über eine Million Menschen anzuschauen, die dauerhaft langzeitarbeitslos sind", hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Wochenende bei ihrem Wahlkampfstart in Dortmund erklärt.

Nur: Ausweislich des Haushaltsentwurfs für 2018 sollen die Mittel der Jobcenter gekürzt werden. Mit 4,185 Milliarden Euro für die Eingliederung Langzeitarbeitsloser - 258 Millionen Euro weniger als 2017 - plant Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) fürs kommende Jahr. Für die Verwaltungskosten im Hartz-IV-System würden zudem strukturell eine Milliarde Euro fehlen, ist Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles überzeugt - und geht jetzt in die Offensive.

Die SPD-Politikerin wirft Merkel ein doppeltes Spiel vor - einerseits Vollbeschäftigung versprechen, andererseits bei den Mitteln für Langzeitarbeitslose den Rotstift ansetzen. "Wenn Merkel sagt: Wir schaffen das, muss sie auch sagen: Wir finanzieren das", erklärte Nahles am Montag in einem Interview. "Wenn Merkel sagt: Vollbeschäftigung, muss sie den Menschen auch ein Angebot machen und nicht kneifen, wenn es zum Schwur kommt." Wahlkampf-Zeiten sind Zeiten der Zuspitzung. Nun greift Nahles die Kanzlerin frontal an.

Im Wahlprogramm von CDU und CSU findet sich zum Thema nur eine kurze Passage - und keine Finanzzusage. "Wir finden uns mit der hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen nicht ab. Wir werden ihre Qualifizierung, Vermittlung und Re-Integration in den Arbeitsmarkt deutlich verbessern", heißt es dort. Merkel sah sich am Montag genötigt, auf die Kritik ihrer Arbeitsministerin zu reagieren. Man dürfe den Langzeitarbeitslosen nicht sagen: "Ihr interessiert uns nicht!" Was die Mittel für die rund eine Million Langzeitarbeitslosen in Deutschland angeht, verweist Merkel auf das Verfahren. "Wir haben uns ausdrücklich im Haushalt darauf verständigt, dass wir die politischen Schwerpunkte dann nach der Bundestagswahl setzen", so die CDU-Vorsitzende. Der Etat werde erst nach der Bundestagswahl vom neuen Parlament verabschiedet. Der Haushalt des Bundesarbeitsministeriums habe dann "weitere finanzielle Mittel" zu erwarten. Das wisse zwar jeder, werde aber im Wahlkampf manchmal verschwiegen.

Vollbeschäftigung - das Ziel gilt als erfüllt, wenn die Arbeitslosenquote bei mindestens zwei bis drei Prozent liegt. Etwa im niederbayerischen Landkreis Deggendorf, wo es aktuell 2,3 Prozent sind. Doch auch dort gibt es verfestigte Erwerbslosigkeit: 658 Männer und Frauen, die länger als ein Jahr ohne Job sind und damit als langzeitlos gelten oder aus anderen Gründen Anspruch auf Grundsicherung haben.

Anderswo in der Bundesrepublik ist die Erwerbslosigkeit deutlich höher. Doch viele Städte und Kreise sind von Verhältnissen wie in Deggendorf und anderen Kommunen insbesondere im Süden und Südwesten des Landes weit entfernt. Dort zeigt sich, dass flächendeckende Vollbeschäftigung ohne deutliche Erfolge im Kampf gegen die Langzeitarbeitslosigkeit kaum zu erreichen sein wird.

Beispiel Dortmund: In der Ruhrgebietsstadt lag die Arbeitslosenquote im Juli bei 11,1 Prozent. Nur die wenigsten Betroffenen sind "Kurzzeit-Arbeitslose". 8,6 Prozent beträgt der Anteil derer, die auf Hartz IV angewiesen sind - darunter viele Langzeitarbeitslose.