Berlin
"Sie hat einen schweren Haltungsfehler gezeigt"

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann über die Lage der Bundeswehr und die Arbeit der Verteidigungsministerin

10.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

Berlin (DK) Die Verteidigungsministerin steht mit dem Rücken zur Wand. Ursula von der Leyen (CDU) musste sich gestern im Verteidigungsausschuss äußern. Vor allem die SPD lässt kein gutes Haar an der Ministerin.

Auch Fraktionschef Thomas Oppermann (Foto) übt im Interview mit unserer Berliner Redaktion harte Kritik an von der Leyen.

 

Herr Oppermann, wie zufrieden sind Sie mit der Aufklärungsarbeit der Ministerin?

Thomas Oppermann: Von Zufriedenheit kann keine Rede sein. Mit der Aufklärung stehen wir erst am Anfang. Immerhin hat Frau von der Leyen erkannt, dass ein riesiger Aufklärungsbedarf besteht. Der muss jetzt sehr konsequent angegangen werden.

 

Sie will nun durchgreifen gegen Rechtsextremismus in der Truppe. Eine reine Schauveranstaltung oder handelt Ursula von der Leyen jetzt?

Oppermann: Sie kündigt Überfälliges an: schnellere Meldeketten und eine Überarbeitung des Traditionserlasses. Aber Frau von der Leyen spricht wie eine Ministerin, die gerade vor vier Wochen ihr Amt übernommen hat. Ganz offenkundig hat sie drei Jahre lang auf diesem Gebiet weggeschaut, obwohl es Hinweise auf schlimme Entwicklungen gab. Sie muss Verantwortung übernehmen, und dazu gehört zuerst einmal zu sagen, was Sache ist. Die Bundeswehr ist durch verschiedene Verteidigungsminister der Union seit zwölf Jahren systematisch vernachlässigt worden. Die Truppe darf nicht länger ein Experimentierfeld für karriereorientierte Unionspolitiker bleiben.
 

Hat Ursula von der Leyen nach ihrer Pauschalkritik noch den nötigen Rückhalt, um für die Aufarbeitung des Skandals zu sorgen und die Innere Führung der Bundeswehr zu stärken?

Oppermann: Frau von der Leyen hat die Schuld für diese Vorgänge pauschal den Untergebenen zugeschoben und von Haltungsfehlern in der Bundeswehr gesprochen. Damit hat sie vor allem selbst einen schweren Haltungsfehler gezeigt. Den kann man mit einer einfachen Entschuldigung hinter verschlossenen Türen nicht aus der Welt schaffen. Ob die Soldaten ihr jemals wieder das Vertrauen schenken, ist offen.
 

Ist sie denn als Verteidigungsministerin aus Ihrer Sicht überhaupt noch tragbar?

Oppermann: Jede Partei in der Koalition ist für ihr Personal verantwortlich. Jetzt muss zunächst der Sachverhalt konsequent aufgeklärt und weiterer Schaden für die Bundeswehr verhindert werden. Wir dürfen jetzt nicht alle Soldatinnen und Soldaten wegen der Fehler Einzelner in Mithaftung nehmen. Die übergroße Mehrheit von ihnen ist Garant für die Sicherheit unseres Landes.

 

Die Fragen stellte Tobias Schmidt.

Foto: Von Jutrczenka / dpa