Berlin
Schneller abschieben, aber wie?

Politiker fordern nach Köln Konsequenzen – Ein Überblick über die Rechtslage

07.01.2016 | Stand 02.12.2020, 20:21 Uhr

Berlin (AFP) Die Vorfälle in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof lassen Rufe nach einer Verschärfung des Ausweisungsrechts für straffällig gewordene Ausländer laut werden. Ein Überblick über die geltende Gesetzeslage:

n Unter welchen Umständen können straffällige Ausländer abgeschoben werden? Grundsätzlich können straffällig gewordene Ausländer ausgewiesen und abgeschoben werden. Die Gründe, die zur Ausweisung führen, werden seit Jahresbeginn in die beiden Kategorien „schwerwiegend“ und „besonders schwerwiegend“ unterteilt: Als „schwerwiegend“ gelten Verurteilungen zu Freiheitsstrafen von einem Jahr sowie zu Jugendstrafen von einem Jahr ohne Bewährung. Hinzu kommen Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und seit 2016 auch lediglich versuchte Verstöße. Ebenso schwer wiegt es, andere Menschen an der Teilhabe am öffentlichen Leben zu hindern oder zur Ehe zu nötigen.

Eine sexuelle Belästigung wird laut Strafgesetzbuch beispielsweise mit maximal sechs Monaten Freiheitsstrafe geahndet, Nötigung und Vergewaltigung aber je nach Schwere der Tat mit bis zu mehreren Jahren Gefängnis.

Als „besonders schwerwiegend“ gelten Verurteilungen zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren oder die Anordnung einer Sicherungsverwahrung. Außerdem besonders schwerwiegend sind die Mitgliedschaft in oder Förderung von „Terrorismus“ unterstützenden Vereinigungen, Aufrufe zu Hass und Gewalt sowie auch die bloße Billigung terroristischer Taten. Bevor es zur Ausweisung kommt, werden aber die Lebensumstände des Betroffenen betrachtet: Dazu gehört die Dauer seines Aufenthaltes und die Frage, inwiefern Angehörige durch seine Ausweisung beeinträchtigt würden. Pauschale Aussagen, wann eine Ausweisung stattfindet, kann es daher laut Bundesinnenministerium nicht geben.

n Welche Regeln gelten für Asylbewerber? Die Genfer Konvention regelt, unter welchen Umständen Flüchtlinge Schutz in einem anderen Land suchen können. Sie regelt jedoch auch, dass dieses Anrecht durch „schwere Vergehen“ verwirkt werden kann. In Deutschland ist dies bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu Freiheitsstrafen ab drei Jahren der Fall. Eine Anerkennung als Flüchtling ist daraufhin ausgeschlossen und laufende Asylanträge werden als unbegründet abgelehnt. Aber auch geringere Strafen von einem oder zwei Jahren können ebenso wie bei anderen Ausländern zur Ausweisung führen. Allerdings schreibt es das Gesetz hier nicht zwingend vor. Einfach abgeschoben werden können verurteilte Asylbewerber aber trotz einer Ausweisung nicht: Denn die Europäische Menschenrechtskonvention verbietet eine Abschiebung, wenn im Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht. Im Gegensatz zur Ausweisung, die lediglich die gesetzliche Pflicht zum Verlassen des Landes meint, bedeutet Abschiebung die tatsächliche Durchsetzung dieser Pflicht, notfalls durch Zwangsmaßnahmen.

n Was fordern Politiker der Koalition nun? Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, man müsse über möglichen Handlungsbedarf bei der Ausweisung von straffälligen Ausländern reden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) zufolge könnte die automatische Aberkennung des Flüchtlingsstatus’ nach einer Verurteilung zu drei Jahren Freiheitsstrafe geändert werden. CDU-Innenpolitiker Ansgar Heveling sagte, die Grenze solle auf ein Jahr gesenkt werden. Es gebe „gute Gründe“ dafür, die gesetzliche Grundlage für die Behandlung straffälliger Asylbewerber und sonstiger Ausländer aneinander anzupassen.

Auch CSU-Innenexperte Stephan Mayer sagte, die Ausweisungsvoraussetzung von drei Jahren Freiheitsstrafe für Flüchtlinge sei „zu eng“. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer forderte, für Asylbewerber müsse bei „eklatantem Missbrauch des Gastrechts“ der Aufenthalt in Deutschland enden. Dies wäre jedoch allein durch eine Ausweisung nicht die Folge, wenn diese dann nicht umgesetzt werden kann.

Die Sozialdemokraten sind gegen Gesetzesverschärfungen. Justizminister Heiko Maas verweist darauf, dass Asylsuchende während eines laufenden Asylverfahrens schon bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr ausgewiesen werden. Dies fällt bereits unter das „schwerwiegende“ Ausweisungsinteresse. Partei-Vizechef Ralf Stegner sagte, die Umsetzung bereits gefasster Beschlüsse sei wichtiger, als weitere Gesetzesverschärfungen anzukündigen.