Berlin
"Rechtspopulistische Empörungsbewegung"

Politiker fürchten zunehmende Radikalisierung Deutschlands durch Pegida

20.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:39 Uhr

Foto: DK

Berlin (DK) Erst der von Demonstranten präsentierte Galgen, „reserviert“ für Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel, jetzt die KZ-Rede und die große Zahl von Teilnehmern bei der Pegida-Kundgebung in Dresden, und nicht zuletzt das Attentat auf die Kandidatin für das Kölner Oberbürgermeisteramt, Henriette Reker – in Berlin fürchtet man eine zunehmende Radikalisierung Deutschlands.

Lange Zeit war man davon ausgegangen, dass sich die antiislamische und ausländerfeindliche Pegida-Bewegung langsam auflösen und womöglich selbst erledigen werde. Ein Irrglaube, wie man jetzt anlässlich der Demonstration zum einjährigen Bestehen erkennen musste. Pegida sei „eine rechtspopulistische und in Teilen offen rechtsradikale Empörungsbewegung“, stellte SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel klar. „Die Protagonisten stellen inzwischen sogar die Grundlagen der Demokratie infrage, indem sie diese Demokratie mit den Kampfbegriffen der NSDAP in der Weimarer Republik als ‚Altparteien-Demokratie‘ und die Parlamente als ‚Quasselbude von Volksverrätern‘ umzudeuten versuchen und die Medien als ‚Lügenpresse‘ denunzieren“, erklärte Gabriel. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hält die Pegida-Führung für „harte Rechtsextreme“, warnte, dass der Hass gegen Flüchtlinge, gegen verantwortliche Politiker und gegen Andersdenkende „im Internet und auf der Straße ein unerträgliches Maß“ erreicht habe.

Im Januar hatte Gabriel noch „als Privatmann“ eine Diskussionsveranstaltung der sächsischen Landeszentrale für Politische Bildung mit Pegida-Anhängern besucht. Und auch de Maizière hatte Verständnis für die Sorgen und Ängste der Demonstrationsteilnehmer in Dresden und andernorts gezeigt. Jetzt gehen die Regierungsmitglieder deutlich auf Distanz.

Das Wiedererstarken von Pegida und der Eklat von Dresden, wo am Montag der Autor Akif Pirinçcis in einer rassistischen und islamfeindlichen Rede gesagt hatte, dass die Konzentrationslager "leider außer Betrieb" seien, beunruhigt Bundesregierung wie Opposition. Jetzt beschäftigt es sogar den Staatsanwalt, der wegen des Verdachts auf Volksverhetzung ermittelt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war auf einem Plakat in Nazi-Uniform abgebildet.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), der die Pegida-Bewegung bereits vor einem Jahr „eine Schande für Deutschland“ genannt hatte und dafür noch kritisiert worden war, lobte gestern die große Zahl von Gegendemonstranten, die in Dresden unter dem Motto „Herz statt Hetze“ gegen das fremdenfeindliche Bündnis protestiert hatten.

Unionsfraktionschef Volker Kauder forderte von den Sicherheitsbehörden und der Justiz, auf Hetze und Gewalt von Rechtsradikalen und Pegida-Anhängern mit der ganzen Härte des Gesetzes zu reagieren. Es dürfe auch nicht ohne Folgen bleiben, wenn bei Pegida-Demonstrationen Galgen hochgehalten und bei Anti-TTIP-Kundgebungen Guillotinen mit Politikernamen gezeigt würden, sagte er. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sprach sich dafür aus, Pegida und deren Anhänger vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Das Bündnis müsse man „dringend unter die Lupe nehmen“.