Berlin
"Kein Merkel-Rettungsverein"

Vor dem Parteitag herrscht in der SPD weiter Zwist über eine Regierungsbeteiligung

04.12.2017 | Stand 02.12.2020, 17:07 Uhr

Die Woche der Entscheidung: Für SPD-Chef Martin Schulz geht es am Donnerstag um alles. Auf einem Parteitag will er sich wiederwählen lassen. Ob das gelingt, ist mehr als fraglich. - Foto: MacDougall/AFP

Berlin (DK) "Wir werden ausloten, ob und wie eine Regierungsbildung möglich ist", kündigt der SPD-Chef gestern an. Grünes Licht von der SPD-Spitze für Gespräche mit der Union, vorausgesetzt auch die Delegierten des Parteitages stimmen am Donnerstag zu.

Dann könnten bereits in der kommenden Woche Sondierungen der Partei- und Fraktionschefs von Union und SPD beginnen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte beim Gipfeltreffen am vergangenen Donnerstagabend darauf gedrängt. Martin Schulz wirkt gestern erleichtert im Willy-Brandt-Haus, ist wieder einen Schritt weiter. Die Parteispitze macht den Weg frei für Sondierungen einer Regierungsbildung.

Gelingt die 180-Grad-Wende vom Weg auf die Oppositionsbänke und dem kategorischen Ausschluss einer Regierungsbeteiligung hin zur Fortsetzung der "GroKo" doch noch? Für Schulz ist es die Woche der Entscheidung. Er könnte als Parteivorsitzender mit einem ordentlichen Ergebnis wiedergewählt werden. Doch auch eine Abstrafung für seinen Zickzackkurs ist möglich. Mit Spannung blicken die Genossen auf den bevorstehenden Parteitag. Die SPD dürfe "kein Merkel-Rettungsverein" sein, regt sich Widerstand gegen die große Koalition. In drei Tagen haben die Jusos 10.000 Unterschriften gegen Schwarz-Rot gesammelt. "Wir sind nicht der Notstopfen für Frau Merkel, wenn sie nichts anderes hinbekommt", erklärte auch der stellvertretende Fraktionschef Karl Lauterbach.

Der Beschluss der Parteispitze liest sich wie ein "Ja, aber". Die SPD fühle sich verpflichtet, in Gesprächen auszuloten, ob und in welcher Form die SPD eine Bundesregierung mittragen könne, heißt es da. Dennoch: Es gebe "keine Vorfestlegung, keinen Automatismus, keinen Zeitdruck". Schließlich gebe es eine geschäftsführende Bundesregierung. Gespräche ja, doch mit einer vierseitigen Liste von roten Linien. Elf Bedingungen noch bevor Verhandlungen stattgefunden haben - Erinnerungen an die gescheiterten Jamaika-Sondierungen werden wach. Ob Bürgerversicherung, europäischer Mindestlohn oder aber der Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus - die ersten Hürden stehen.

Schulz ist in der Zwickmühle. Es gelte keineswegs als ausgemacht, dass der Parteitag grünes Licht für die Aufnahme von Gesprächen über eine Regierungsbeteiligung gebe, auch wenn diese "ergebnisoffen" geführt werden sollen, heißt es gestern. Das Votum der Delegierten werde zum Lackmustest darüber, ob es überhaupt eine Chance gebe, die Basis in einem Mitgliederentscheid für eine neue große Koalition zu gewinnen. Entscheidend sei auch, wie die Union auf die inhaltlichen Forderungen der SPD reagieren werde. Sollten aus CDU und CSU klare Absagen kommen, werde dies das Lager derjenigen stärken, die allenfalls die Duldung einer Merkel-Minderheitsregierung wollen.

"Ein ,Weiter so' kann es nach diesem Wahlergebnis nicht geben. Wir brauchen große Lösungen für unser Land und nicht einzelne Spiegelstriche", so SPD-Vize Manuela Schwesig gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. "Und trotz des Wachstums und der Rekordbeschäftigung gibt es viel zu viele arme Kinder in Deutschland."