Berlin
Es geht voran in Richtung Groko

Union und SPD einigen sich bei Pflege und Rente

31.01.2018 | Stand 02.12.2020, 16:52 Uhr

Berlin (DK) CSU-Chef Horst Seehofer macht Druck: "Als großes Land in Europa sind wir gezwungen, endlich eine Regierung zu bilden", mahnt er erneut zur Eile und warnt eindringlich vor einer weiteren Hängepartie. Am Sonntag, spätestens am Dienstag müsse der Koalitionsvertrag mit der SPD unter Dach und Fach gebracht werden, sonst sei die Regierungsbildung vor Ostern in Gefahr. "Dann müssten wir in vielen Punkten noch mal von vorne anfangen", das wäre "ein Desaster, eine Katastrophe" und würde in der Bevölkerung "zu berechtigter Wut führen", sorgt sich der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident.

Immerhin, es geht weiter voran Richtung große Koalition. Gestern Abend verkündete SPD-Chef Martin Schulz nach Beratungen mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer, man wolle die Europapolitik in den Mittelpunkt einer neuen großen Koalition stellen. Ein Koalitionsvertrag werde "den Willen zu einem neuen Aufbruch in Europa signalisieren", sagte Schulz. Angesichts von Misstönen in der Migrationspolitik dürfte die gemeinsame Botschaft der Vorsitzenden eher als Versuch zu verstehen sein, ein demonstratives Signal der Einigkeit auszusenden.

Doch es gibt auch Fortschritte bei den Sachthemen. So vereinbarten Union und SPD einen Pflegepakt mit 8000 neuen Stellen sowie eine Haltelinie von 20 Prozent für die Rentenbeiträge bis 2025. "Ich hoffe, dass wir zu einer Einigung kommen", sah SPD-Vize Malu Dreyer im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion Licht am Ende des Tunnels. Intensiv wurde bis in die Nacht weiterverhandelt in den Arbeitsgruppen.

Wo geht noch was, wo sind die Unterhändler verhakt? Seehofer sandte vorsichtige Kompromisssignale: Bei befristeten Arbeitsverträgen müsse "Missbrauch bekämpft" werden, versprach er. Eine Abschaffung des Instruments, wie es die SPD fordert, komme aber nicht infrage. In der Gesundheitspolitik zeigte er sich zu höheren Honoraren von Landärzten bereit, um einem Medizinermangel entgegenzuwirken. Ja zu Verbesserungen gesetzlich Versicherter, so das Angebot. "Aber wir wollen keine Bürgerversicherung, keine Einheitsversicherung."

Countdown auf dem Weg zu Schwarz-Rot, schon am morgigen Freitag sollen die Arbeitsgruppen die Sachfragen geklärt haben, am Wochenende eine Groko-Klausur letzte Brocken ausräumen. "Dann werden wir sehen, ob das Ergebnis ausreicht, um es den SPD-Mitgliedern zur Abstimmung vorzulegen", erhöhte SPD-Vize Dreyer noch einmal den Druck.

Der Durchbruch bei der Pflege gelang in der Nacht zum Mittwoch. Ein Sofortprogramm zur Einstellung von 8000 Fachkräften für die Altenpflege, eine Ausbildungsoffensive und höhere Löhne für die Pflegerinnen und Pfleger gehören dazu. In den Koalitionsverhandlungen wurde an mehreren Stellen nachgebessert. So sollen Personaluntergrenzen nun für alle Bettenstationen in Krankenhäusern eingezogen und per Gesetz soll dafür gesorgt werden, dass Tarifverträge auch wirklich flächendeckend angewandt werden. Hinzu kommt ein Reha-Anspruch für pflegende Angehörige.

Die Reaktionen fielen allerdings ernüchternd aus. Ein "Silvesterfeuerwerk" beklagte die Deutsche Stiftung Patientenschutz. "Wenn der Rauch verzogen ist, bleibt praktisch nicht viel übrig für Pflegebedürftige und Angehörige." Die Finanzierung der Verbesserungen blieb weitgehend offen. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom an der Universität Duisburg-Essen, erwartet höhere Kosten für Beitragszahler. "Das wird wohl auf eine Anhebung der Beiträge um 0,2 Prozentpunkte hinauslaufen", sagte der Experte im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion.

Nachdem in den Sondierungen schon vereinbart worden war, das Rentenniveau bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken zu lassen, wird nun die zweite Haltelinie eingezogen: Bei den Beiträgen vereinbarten Union und SPD bis 2025 eine Obergrenze von 20 Prozent, aktuell liegt der Beitrag bei 18,6 Prozent. Eine Rentenkommission soll klären, wie es danach weitergeht. Die 3,4 Milliarden Euro, die die Ausweitung der Mütterrente - ein CSU-Wunsch - kostet, würden nicht den Steuerzahlern aufgebürdet, hieß es gestern aus Verhandlungskreisen.