Berlin
"Jetzt heißt es, ran an die Arbeit"

Erste große Jamaika-Sondierungsrunde: Kanzlerin Merkel zeigt sich zuversichtlich

20.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:19 Uhr

Berlin (DK) "Ich freu mich, dass es heute losgeht!" Angela Merkel lächelt ein wenig angestrengt in die Kameras und gibt den Rahmen für die kommenden Wochen vor: "Über allem muss stehen: Was erwarten die Menschen von uns? Was erwarten sie für ihr Leben" Es gelte auszuloten, ob eine Regierung gebildet werden könne, die liefere, was für das Land wichtig sei: "Arbeitsplätze und Sicherheit im umfassenden Sinne", nennt die Kanzlerin die Prioritäten. "Und jetzt heißt es: ran an die Arbeit."

Vorhang auf für die Jamaika-Sondierungen fast vier Wochen nach der Wahl. Erstmals kommen die Delegationen von CDU/CSU, FDP und Grünen am Freitagnachmittag in der Parlamentarischen Versammlung neben dem Reichstag zusammen, mussten auf die Kanzlerin warten, die direkt vom EU-Gipfel in Brüssel eingeflogen war. Endlich wird über Inhalte geredet, während die Reporter draußen im Regen ausharren. Es gebe "eine Vielzahl von Differenzen", erklärt Merkel mit Blick auf die enormen Gegensätze und die vielen roten Linien von der Flüchtlingspolitik bis zum Klimaschutz und zur Energie und sichert ihre Bereitschaft zu, "durchaus kreativ auch nachzudenken".

Steif steht CSU-Chef Horst Seehofer neben der Kanzlerin, der angeschlagene bayerische Ministerpräsident, dem Jamaika viel abverlangen würde. "Ich bin richtig froh, dass es jetzt richtig losgeht", sagt er, und nennt das "Oberziel" für die CSU: die richtigen Antworten geben auf das Signal der Wähler vom 24. September, den massiven Verlusten für CSU und CDU und dem Vormarsch der AfD: "Das heißt vor allem Migration und Sicherheit."

FDP-Chef Christian Lindner dämpft die Erwartungen. Ja, auch er freue sich, dass die Sondierungen für die "Kleeblatt-Konstellation" aus CSU/CDU, FDP und Grünen jetzt starten. "Ein vierblättriges Kleeblatt könnte ein Glücksfall sein für Deutschland", sagt er, die Konstellation sei aber "sehr selten" und ein Gelingen keinesfalls sicher. "Ergebnisoffen" gehe er in das Ringen und warnt: "Wir sind nicht festgelegt, dass wir regieren, wir machen es von Inhalten abhängig."

Politische Welten liegen zwischen denjenigen, die um 16.30 Uhr im prächtigen Kaiser-Saal Platz nehmen. 52 Unterhändler am Konferenztisch. Kann es ausreichend große Schnittmengen, aber auch ausreichend Vertrauen geben zwischen Horst Seehofer und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt auf der einen, zwischen den "linken" Grünen Anton Hofreiter und Jürgen Trittin auf der anderen Seite? Der forsche Lindner und sein gewiefter Vize Wolfgang Kubicki Aug in Aug mit der braven Katrin Göring-Eckardt und dem ehrgeizigen Cem Özdemir. "Es kann sein, dass es inhaltlich nicht reicht", erklärt Grünen-Chef Özdemir. "Aber das kann man nur feststellen, indem man nicht übereinander spricht, sondern miteinander." Göring-Eckardt rammt erste Pflöcke ein: Das Abenteuer könne nur gelingen, wenn die künftige Regierung "nicht nur internationale Klimaschutzziele erreicht, sondern auch national handelt".

Als sich die Türen schließen, gibt es eine Kennenlernrunde, dann werden die Themen präsentiert: Finanzen, Europa, Klima, Flüchtlinge sind die ersten der zwölf Blöcke, am Ende steht die Innere Sicherheit. Üblicherweise steht der Kassensturz am Beginn von Koalitionsverhandlungen. Zwar kann sich die nächste Regierung über ein Milliardenpolster freuen. Doch fällt es mit 30 Milliarden Euro womöglich nicht ganz so üppig aus, wie erhofft.