Berlin
"Gute Pflege muss uns etwas wert sein"

Karl-Josef Laumann, Staatssekretär im Gesundheitsministerium, über die Auswirkungen der jüngsten Reform

29.12.2015 | Stand 02.12.2020, 21:49 Uhr

Berlin (DK) Deutschland brauche langfristig mehr Pflegepersonal, sagt Karl-Josef Laumann (Foto). Der CDU-Mann ist Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege.

 

Herr Laumann, in wenigen Tagen tritt die erste Stufe der Pflegereform in Kraft. Wird sich die Lage der zweieinhalb Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland entscheidend verbessern?

Karl-Josef Laumann: Wir schaffen die Grundlage dafür. Wir erhöhen fast alle Leistungen um vier Prozent. Wir sorgen dafür, dass Leistungen wie die Kurzzeitpflege und die Verhinderungspflege, wenn zum Beispiel pflegende Angehörige auch einmal in den Urlaub fahren wollen, besser kombiniert werden können. Wir verdoppeln de facto die Leistungen in der Tagespflege. Darüber hinaus können die Heime ab Januar 20 000 zusätzliche Betreuungskräfte einstellen.

 

Mit der Pflegereform werden fünf Milliarden Euro mehr in das System gepumpt. Der Beitragssatz erhöht sich zunächst um 0,3 Prozentpunkte und steigt später weiter. Überfordert das nicht die Beitragszahler?

Laumann: Gute Pflege muss uns etwas wert sein. Und niemand kritisiert ernsthaft diese Beitragssatzerhöhung. Den Menschen ist eigentlich klar, dass wir die Leistungen der Pflegeversicherung auch finanziell den Bedürfnissen der Zeit anpassen müssen.

 

Mit der Familienpflegezeit erhalten Berufstätige einen Anspruch auf vorübergehende Verringerung ihrer Arbeitszeit, um einen Angehörigen zu pflegen. Werden nun mehr Menschen zu Hause betreut werden?

Laumann: Ich wäre froh, wenn wir den jetzigen hohen Standard halten können. Denn bereits heute werden zwei Drittel aller Pflegebedürftigen von Angehörigen oder Pflegekräften zu Hause betreut.

Wirkt der Mindestlohn nicht kontraproduktiv, der ab Januar auch in privaten Haushalten gilt?

Laumann: Wer Menschen pflegt, sollte mehr als den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde verdienen. Das ist für so eine anspruchsvolle und wichtige Arbeit nicht zu viel verlangt. Im Gegenteil: Ich wünsche mir endlich flächendeckend faire Löhne in der Pflege. Und der faire Lohn ist der Tariflohn.

 

Die Zahl der Pflegekräfte in den Heimen soll deutlich erhöht werden. Gibt es dafür überhaupt genügend Personal?

Laumann: Momentan ja. Langfristig mache ich mir jedoch durchaus Sorgen, wo wir jedes Jahr die zwei bis drei Prozent mehr Pflegekräfte herbekommen, die wir benötigen. Im Lehrjahr 2013/2014 haben zum Glück 26 700 Menschen eine Ausbildung zum Altenpfleger begonnen – rund 14 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Allein in Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Auszubildenden in der Altenpflege seit Juli 2012 um 45 Prozent gestiegen. Doch wir müssen noch mehr dafür tun, dass der Altenpflegeberuf in der Ausbildung und beim Vedienst deutlich attraktiver wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Ausbildung generalisieren. Und wir müssen das Schulgeld, das noch in einigen Bundesländern bezahlt werden muss, endlich bundesweit abschaffen.

 

Das Gespräch führte

Antje Schroeder.